Mülheim. . Der Kulturpott vermittelt Karten an Interessierte, die es sich sonst nicht leisten können. Es gibt auch Karten für die wichtigen Festivals.

  • Die im Kulturhauptstadtjahr gegründete Initiative ist so etwas wie eine kulturelle Tafel
  • Der Kulturpott ermöglichte bisher rund 9000 Gästen, 80 000 Veranstaltungsbesuche zum Nulltarif zu erleben
  • Gäste zu gewinnen, ist weiterhin schwer, die Schwellängste sind groß. Auch Helfer werden gesucht

Kulturveranstaltungen sind unverzichtbar: Sie wecken Emotionen, erweitern den Horizont, ermöglichen Begegnungen, bieten Gesprächsstoff und sorgen nicht zuletzt auch für unvergessliche Momente, von denen man noch lange zehren kann. Aber die Kulturveranstaltungen haben ihren Preis. Gerade im Ruhrgebiet gibt es viele Interessierte, die sich eine Karte nicht leisten können, weil sie eine schmale Rente haben, sie alleinerziehend oder arbeitslos sind. Dafür gibt es seit sieben Jahren den Kulturpott, der im Kulturhauptstadtjahr als Kulturloge gegründet wurde. Es ist so etwas wie eine kulturelle Tafel. Ursprünglich ging es darum, die Plätze bei Veranstaltungen, die frei bleiben, zu füllen.

Das Wort „Restkarten“ mag Brigitta Blömeke, die den Kulturpott Ruhr leitet, nicht. Die großen Festivals, das Klavierfestival, Ruhrtriennale und Ruhrfestspiele stellen immer großzügige Kartenkontingente mit guten Plätzen zur Verfügung. 9000 Kulturgästen konnten in den sieben Jahren seit des Bestehens rund 80 000 Tickets vermittelt werden. In Mülheim wurden 719 Karten vergeben. Da Kultur keine Stadtgrenzen kennt, ist eine lokale Betrachtung schwierig. Mülheimer besuchen Veranstaltungen in den Nachbarstädten und umgekehrt.

Nicht mehr als 980 Euro Brutto-Monatseinkommen

In Mülheim sind derzeit nur 64 Gäste registriert. Renate Vetter, die die örtliche Gruppe leitet, geht davon aus, dass es weit mehr sein könnten, dass längst noch nicht alle, die interessiert und berechtigt wären, sich gemeldet haben.Weil sie es nicht wissen, oder weil die Scham doch zu groß ist, Hemmnisse gibt es viele. Es waren mal über 100. „Einige sind gestorben, denn viele unserer Gäste sind schon alt“, erzählt Vetter, andere haben ihren Einkommensnachweis noch nicht vorgelegt. Profitieren von dem Angebot können alle, die die OECD-Armutsgrenze von 980 Euro Brutto-Monatseinkommen nicht übersteigen. Die Schwelle liegt damit über dem Satz von Hartz IV.

Es gibt auch immer wieder einige, über die Vetter und Blömeke nicht gerne spricht, weil sie der Sache schaden und ins Klischee passen. Jene Unzuverlässigen, die zwar eine Karte annehmen, aber dann nicht zur Veranstaltung gehen, was andere um den Genuss bringt und den Veranstalter ärgert, der dann vielleicht nicht mehr so großzügig ist. Deshalb hakt der Kulturpott auch nach. Wer drei Mal fehlt, wird gesperrt.

Für einen Fahrer gibt es eine Partnerkarte

Neue Gäste zu erreichen, ist schwierig. Im März und April gab es acht Neuanmeldungen. Blömeke hat sich mal in Gelsenkirchen mehrere Stunden an die Tafel gestellt und für den Kulturpott geworben, aber nur ganz wenige Gäste gewonnen.

Dieter Luxnat ist einer der Stammgäste. Er hat ein Faible für Konzerte, schätzt auch die Klanglandschaften am Theater an der Ruhr. Durch die Flyer, die im Medienhaus ausliegen, wurde er schon schnell auf das Angebot aufmerksam, da er regelmäßig im Medienhaus Nachhilfe gibt. Für das größte Problem des 64-Jährigen zeichnete sich in der Beratung schon schnell eine Lösung ab. Da er im Außenbereich wohnt, der von der MVG am Abend nur noch sporadisch angebunden ist, und er selbst kein Auto besitzt, wusste er zunächst nicht, wie er nach Hause kommen kann. Doch für einen Fahrer kann er eine Partnerkarte bekommen. „Das ist genial“, freut er sich und hat schon oft darüber gestaunt, was für einen guten Platz er bekommen hat. Er nutzt das Angebot zwei bis drei Mal im Monat. Öfter sollte er es auch nicht, damit alle in den Genuss kommen.

Hose mit Bügelfalte im Schrank

Luxnat hat auch schon versucht, mit seinen Erlebnissen andere vom Kulturpott zu begeistern und ist oft auf Zurückhaltung gestoßen. Die Schwellenangst scheint noch groß. An der Kasse muss sich aber niemand ausweisen. Die Kulturgäste stehen auf einer Liste Der Bauingenieur, der als Selbstständiger Schiffbruch erlitt, mag die Pausen und das bürgerliche Flair, was andere möglicherweise verunsichert, weil sie fürchten, Blicke auf sich zu ziehen. „Ich habe auch eine alte Hose mit Bügelfalte im Schrank“, sagt er.

>>>>>>>>> Renate Vetter würde sich über eine Verstärkung des Vermittlungsteams freuen. Lust am Telefonieren, Interesse an Menschen und Kenntnisse des Kulturprogramms seien dafür nötig.

Infos im Netz: www.kulturpott.ruhr, Sprechstunde : Montag und Freitag 15-17 Uhr im Erdgeschoss im Medienhaus. Dann auch telefonisch unter: 0178165 85 82.