Essen. In vielen Revier-Städten wird der reguläre Nahverkehr durch Anrufsammeltaxen oder Taxibusse ersetzt. Doch nur wenige Bürger nutzen das Angebot.

Auch in den Großstädten des Reviers gibt es sie: Zonen und Ecken, die schwach bis gar nicht an den Öffentlichen Personennahverkehr angebunden sind. In einigen Stadtgebieten wird das Angebot an Bussen und Straßenbahnen durch sogenannte Anrufsammeltaxen (AST) und Taxibusse ergänzt.

Diese fahren in der Regel dorthin, wo sich für Betreibergesellschaften die Installation einer festen, regulären Linie aus finanziellen Gründen nicht lohnt. Meist sind sie im späten Abendbereich oder nachts unterwegs. Doch es scheint, dass zahlreiche Bürger von dem Angebot ihrer örtlichen Verkehrsgesellschaften noch nicht viel mitbekommen haben.

Die Mülheimer MVG, in der Theorie zuständig für die Beförderung von knapp über 170.000 Einwohnern, verzeichnete für die insgesamt elf Taxibuslinien im vergangenen Jahr lediglich 1980 Fahrten. Von diesen fahren zehn im Takt der Nachtexpresse, werktags bis 0.30 Uhr, am Wochenende und feiertags sogar stündlich. Immerhin: Die Tendenz bei den Fahrgastzahlen ist dezent steigend, 2012 wurden gar nur 1252 Fahrten gebucht.

Nicht mehr als eine gute Ergänzung

Ähnlich fallen die Werte für die insgesamt zwölf AST-Linien in Dortmund aus, wobei dort in Teilen auch ganztägige Angebote bestehen. „Anrufsammeltaxen sind für uns ein sehr kleines Thema“, sagt Britta Heydenbluth, Pressesprecherin der zuständigen DSW21. So gab es im letzten Jahr genau 1895 Aufträge mit 2004 Fahrgästen. „Dieses Angebot dient als gute Ergänzung, im größten Teil Dortmunds haben wir ja ein gutes und dichtes Netz. Die Taxen werden hier vor allem von älteren Bürgern genutzt, die weiter draußen leben“, erläutert Heydenbluth.

Spätabends und nachts fahren häufig nicht mehr viele Busse und Bahnen. Der genaue Blick auf die Fahrpläne lohnt sich aber.
Spätabends und nachts fahren häufig nicht mehr viele Busse und Bahnen. Der genaue Blick auf die Fahrpläne lohnt sich aber. © Patrick Friedland

Einen leichten Anstieg der Nutzerzahlen durfte zuletzt auch die EVAG registrieren. In Essen sind 20 verschiedene Taxibuslinien vorrangig spät abends und nachts unterwegs, die in 2016 insgesamt 10.621 Fahrgäste beförderten. Drei Jahre zuvor waren es 10.274. „Wir sind damit zufrieden. Tatsächlich wissen wohl aber nicht alle, dass es dieses Angebot gibt. Essen hat ein sehr gut ausgebautes Nachtexpress-Netz, sodass vermutlich die meisten Fahrgäste direkt an ihr Ziel kommen. Die Größenteils jüngeren Leute nehmen also den restlichen Weg zu Fuß offensichtlich eher in Kauf, anstelle eines Taxibusses, weil der Taxibus die Feinerschließung für den Nachtexpress unternimmt“, betont EVAG-Sprecher Jens Kloth.

Die einzige ÖPNV-Anbindung ans Studierendenwohnheim

Wichtig und nützlich ist das Angebot von ASTs oder Taxibussen vor allem dort, wo der Heimweg zu später Stunde bei spärlicher Beleuchtung und/oder in Waldgebieten für Unbehagen sorgt. Für mehrere hundert Studierende der Ruhr-Universität Bochum erweist sich das Angebot der BOGESTRA als nützlich, um sich den unangenehm dunklen und bewaldeten Fußweg zum AkaFö-Wohnheim „Auf dem Kalwes“ an der Kollegstraße zu ersparen. Eine der insgesamt zehn nachts fahrenden AST-Linien steht auf Abruf zur Verfügung.

Peter van Dyk, Pressesprecher des AkaFö, betont: „Hier gibt es für die BOGESTRA leider keine Möglichkeit, sinnstiftend eine Straßenbahn- oder Bushaltestelle einzurichten. Wir haben dort 300 bis 400 Mieter, die dann zweimal am Tag einen Bus zu ihren Uni-Veranstaltungen nehmen, das rechnet sich nicht. Andererseits bereitet es dem ein oder anderen natürlich Magenkribbeln, wenn er abends in der Dunkelheit hier durch den Wald laufen muss. Wir sind froh, dass wir das Angebot mit dem Anrufsammeltaxi haben und halten sicherlich daran fest.“

Die Nutzung der insgesamt 13 AST-Linien im BOGESTRA-Gebiet schwankt dabei jährlich, sonderlich hoch ist die Rate aber auch hier nicht, wie Unternehmenssprecher Christoph Kollmann auf Nachfrage mitteilt: „Ein allgemeiner Trend ist aus den Zahlen nicht herauslesbar, generell sind wir zufrieden. Genaue Fahrgastzahlen für 2016 liegen uns noch nicht vor, diese bewegen sich auf das gesamte Jahr gesehen voraussichtlich im hohen dreistelligen Bereich.“

Im Vest gehören Taxibusse und ASTs zum Alltag

Richtig gut wird das Angebot unterdessen im Betriebsgebiet der „Vestische“ angenommen. Insgesamt 55 verschiedene Taxibuslinien chauffierten 2016 eine stattliche Zahl von 107.700 Bürgern. Auch im Vest fahren die Taxibusse vorwiegend am späten Abend oder am frühen Morgen in Gebieten, in denen sich der Einsatz einer Regellinie nicht lohnt. „Hier sind Taxibusse wirklich eine Alternative zum Linienverkehr, es ist eine Art Daseinsfürsorge für unsere Kunden. Wenn die Taxibusse nicht in Anspruch genommen werden, entsteht uns kein finanzieller Schaden“, erklärt Vestische-Pressesprecher Norbert Konegen.

Mit circa 27.000 Beförderten besonders stark frequentiert war im letzten Jahr der Taxibus, der in den späten Abendstunden sowie am frühen Morgen die Regellinie 227 zwischen Marl-Sinsen und Haltern ersetzt. Warum das Angebot in Marl, Recklinghausen, Bottrop und Co. so vergleichsweise stark angenommen wird, kann sich Konegen kaum erklären. Aber: „Wir betrieben viel Werbung und Öffentlichkeitsarbeit für dieses Konzept. Wie man sehen kann, zahlt sich dies aus.“

Doch nicht alle ÖPNV-Betreiber im Revier halten die Bereitstellung eines Taxibus- oder AST-Services für notwendig, Duisburg (DVG) und Oberhausen (STOAG) verzichten beispielsweise gänzlich. „Wir hatten vor einigen Jahren mal einen Probelauf mit Anrufsammeltaxen für zwei Haltestellen gemacht, die nach einem Fahrplanwechsel aus den Nachtexpress-Linien herausgenommen wurden. Allerdings war die Nachfrage total gering, deswegen haben wir das Projekt wieder eingestellt“, erinnert sich Sabine Müller, Pressesprecherin der STOAG. Mittlerweile wurden die beiden Haltepunkte nach einem weiteren Fahrplanwechsel wieder in die Pläne eingegliedert.

Die Linienpläne für Anrufsammeltaxen und Taxibusse im Revier in der Übersicht:

INFO: Wie funktionieren ASTs und Taxibusse?

Anrufsammeltaxi: Es fährt zu festgelegten Fahrzeiten an einer AST-Haltestelle ab. Das Fahrtziel ist für den Kunden innerhalb eines Bedienungsbereichs völlig frei wählbar. Der Fahrpreis, welcher beim jeweiligen Fahrer bezahlt werden muss, liegt geringfügig über dem eines normalen VRR-Bustickets.

Taxibus: Es fährt zu festgelegten Fahrzeiten auf einem festen Linienweg von Haltestelle zu Haltestelle. Hier gelten die normalen Tickets des VRR, die aber vor Fahrtantritt erworben werden sollten. Denn nicht in jeder Stadt können die Fahrkarten beim Fahrpersonal gekauft werden.

ASTs und Taxibusse müssen – je nach Gebiet – bis zu 30 oder bis zu 45 Minuten vor der festgelegten Abfahrtszeit bestellt werden. In der elektronischen Fahrplanauskunft des VRR sind Fahrten mit den ASTs und Taxibussen gekennzeichnet. Zudem finden Fahrgäste dort die Telefonnummer, mit der das AST oder der Taxibus bestellt werden muss.