Mülheim. Die Kulturloge Ruhr bietet nach dem Vorbild der Tafeln Musik und Theater Hartz-IV Empfängern zum Nulltarif. 3500 Kulturgästen wurden in den vergangenen vier Jahren Karten ruhrgebietsweit angeboten. In Mülheim sind es bislang 93 Kulturgäste. Acht Einrichtungen machen mit.

Kultur muss man sich leisten können, denn Karten für Veranstaltungen sind oft teuer. Kultur, ob Musik oder Theater, weckt Gefühle. Sie entführt in eine andere Welt und eröffnet neue Perspektiven. Kulturelle Erlebnisse sind aber auch aus sozialen Gründen unverzichtbar, weil sie menschliche Begegnungen ermöglichen und zum Gespräch anregen. Wer länger arbeitslos ist und von Arbeitslosengeld II leben muss, dem fehlt meist beides: Geld und gesellschaftliche Teilhabe. Im virtuellen Warenkorb von Hartz IV sind für Freizeitaktivitäten gerade einmal 38 Euro vorgesehen. Aber wird es bei den existentiellen Dingen eng, dann streicht man am ehesten die Ausgaben für Kultur. Das ist im privaten Haushalt nicht anders als im städtischen.

Gut, dass es die Kulturloge Ruhr gibt. Die Kulturloge ist kein Geheimbund, wie der Name suggerieren könnte, aber sie arbeitet genau so diskret und wirkungsvoll wie ein solcher. Gegründet wurde sie nach dem bereits bestehenden und erfolgreichen Vorbild in anderen Städten im Kulturhauptstadtjahr und ging in Mülheim vor ziemlich genau einem Jahr mit einer Dependance an den Start. „Wir haben das große Glück, dass wir im Medienhaus unterkommen konnten“, sagt Renate Vetter, Sprecherin des vierköpfigen ehrenamtlichen Mülheimer Teams. Ruhrgebietsweit sind in zehn Dependancen 95 Ehrenamtliche aktiv.

Gäste müssen ihre Bedürftigkeit nachweisen

Gerade hat die Kulturloge, die als gemeinnütziger Verein anerkannt und als vorbildlich von der Landesregierung ausgezeichnet wurde, die Schwelle von 30.000 Tickets überschritten. 3500 Kulturgäste wurden in den vergangenen vier Jahren Karten ruhrgebietsweit angeboten. In Mülheim sind es bislang 93 Kulturgäste. Acht Einrichtungen machen mit. Beigetreten ist zuletzt und sehr engagiert, wie sich Vetter freut, das Kulturzentrum Fünte. Auch die Camera Obscura macht mit. Der Eintritt dort ist zwar gering, aber es fehlt eben oft auch dafür. Was noch fehlt in der Stadt, ist ein Kinoangebot. Gerade hat das Theater an der Ruhr Karten für den Starclown Antoschka am Sonntag angeboten. Zwei Mal die Woche, montags und freitags zwischen 15 und 17 Uhr, sitzen zwei Ehrenamtler in einem Büro, das ihnen die Leiterin des Medienhauses, Claudia vom Felde, zur Verfügung gestellt hat, und vermittelt Karten. Es läuft so ähnlich wie bei den Tafeln.

Allerdings müssen die Gäste ihre Bedürftigkeit durch einen Einkommensnachweis oder einen Bescheinigung der Sozialagentur, Wohngeldstelle oder Caritas nachweisen und sind zunächst für ein Jahr im System. „Dafür muss sich an der Kasse niemand ausziehen“, sagt Vetter. Die Karten sind auf den Namen reserviert.

Gute Plätze

Veranstalter stellen der Loge Karten, die im Vorverkauf keinen Käufer fanden, zur Verfügung. „Restkarten kann man das nicht nennen, denn es sind oft sehr gute und teure Plätze“, sagt Vorstandsmitglied Brigitta Blömeke. Es gibt auch Veranstalter, die direkt ein Kartenkontingent der Loge zur Verfügung stellen. Die Kulturgäste werden dann angerufen und bekommen einen Termin, in der Kategorie von Jazz bis Oper für die sie sich interessieren, angeboten. „Neulich hatten wir zwei Tage vor dem Auftritt 50 Karten für Stefan Raab in Gelsenkirchen“, erzählt Blömeke. Allein die Ruhrfestspiele haben 2500 Karten bereitgestellt, die wie alle Karten in der Region angeboten werden. Gerne würde die Loge in Mülheim die Arbeit mit zusätzlichen Ehrenamtlichen intensivieren.

Bei der Verteilung bemüht sich die Loge um Gerechtigkeit. Wer einmal Karten bekommen hat, wird beim nächsten Mal erst einmal nicht angerufen. „Dabei hilft uns das Computersystem“, sagt Vetter. Am Telefon hören die Ehrenamtlichen dann, wie groß die Befürchtungen und Hemmungen sind. Was man etwa in der Oper anziehen muss. Hinterher hören sie dann, was für ein einmaliges und unvergessenes Erlebnis es war.