Mülheim. . Fast 14 Prozent der städtischen Flächen stehen unter Schutz. In 35 Jahren hat sich der Umfang der Naturschutzgebiete fast verdreifacht.

  • Im Land NRW stehen heute acht Prozent der gesamten Fläche unter Naturschutz
  • Im Südwesten der Stadt wandelten sich große Gebiete vom Landschafts- zum Naturschutz
  • Mit der Saarner Ruhr­aue hat Mülheim ein Fauna-Flora-Habitat (FFH) mitten in der Stadt

Naturschutz wird nicht allein im Land NRW, sondern vor allem in Mülheim groß geschrieben: In NRW stehen 8 Prozent der gesamten Fläche unter Naturschutz, in Mülheim sind es sogar über 13 Prozent. Damit, sagen sie im Mülheimer Umweltamt nicht ohne Stolz, liegt Mülheim im westlichen Ruhrgebiet an der Spitze – vor Städten wie Essen, Solingen oder Düsseldorf, und selbst vor dem grünen Kreis Wesel.

Das statistische Landesamt Information und Technik, IT.NRW, hat errechnet, dass der Flächenanteil der Naturschutzgebiete im Land seit 1980 von 0,5 auf 8 Prozent gestiegen ist – also um das 16-fache. Mit einer solchen immensen Steigerung kann Mülheim zwar nicht aufwarten, aber an der Ruhr hat man Anfang der 1980er Jahre auch nicht so klein angefangen. Gabriele Wegner, stellvertretende Leiterin des Umweltamtes, braucht nur die beiden Landschaftspläne von 1982 und von 2005 miteinander zu vergleichen. Ein Landschaftsplan bietet den Städten einen Handlungsrahmen für die Planung von Bebauung und Naturschutzflächen sowie naturnaher Erholungsgebiete.

Eine Wambach-Niederung innerhalb des Mülheimer Naturschutzgebietes „Wambachtal und Oembergmoor
Eine Wambach-Niederung innerhalb des Mülheimer Naturschutzgebietes „Wambachtal und Oembergmoor" in Saarn. © Stadt Mülheim

Vergleicht man nun die Karte des Landschaftsplans von 1982 mit dem von 2005 (der mit Änderungen bis heute gültig ist) – so erkennt man sofort, dass sich die Naturschutzgebiete flächenmäßig mehr als verdoppelt haben: von 5 auf 12,4 Prozent. Mit dem Auberg, der 2008 unter Naturschutz gestellt wurde, liege man bei 13 Prozent, sagt der städtische Landschaftsplaner Gerald Angstmann. Und nimmt man die so genannten „geschützten Landschaftsbestandteile“ hinzu (dazu zählen kleine/kleinste Schutzgebiete wie Streuobstwiesen oder Kopfbaumreihen) sind es fast 14 Prozent der Mülheimer Fläche, die unter Naturschutz stehen, ergänzt der städtische Biologe Heiko Vittinghoff.

Einzelne Flächen wurden zusammengefasst

Einzelne Flächen, die schon unter Naturschutz standen, wurden im aktuellen Landschaftsplan zu einer größeren Einheit zusammengefasst, zum Beispiel zwei eng zusammenliegende Gebiete der Wambachaue und das Oembergmoor. Im Südwesten der Stadt wandelten sich große Gebiete vom Landschafts- zum Naturschutzgebiet. Im Nordosten waren es das Winkhauser Bachtal und das Hexbachtal. Auch die südlichen Bachtäler von Rumbach, Forstbach, Rossenbeck und Zinsbach genießen heute besonderen Schutz.

Großformatige Schilder verweisen in den  Naturschutzgebieten auf die besonders geschützten Bereiche in der Stadt.
Großformatige Schilder verweisen in den Naturschutzgebieten auf die besonders geschützten Bereiche in der Stadt. © Christoph Reichwein, Archiv

In der Müga hat Erholung Vorrang

Die Ruhrauen, die Flächen rechts und links der Ruhr, stehen auf Mülheimer Stadtgebiet fast durchgehend unter Naturschutz. Ausnahme ist das Innenstadtgebiet bei Rathaus, Stadthalle, Ruhrbania – doch dort sorgt die Müga für grüne Ausblicke. „Das ist die einzige Unterbrechung – dort hat die Erholung Vorrang“, sagt Wegner. Und spricht damit einen Punkt an, der immer wieder zu Konflikten führt: Das Nebeneinander von Freizeitgestaltung und Erholung suchender Bürger in einem Ballungsraum einerseits, und die dort zu schützenden Pflanzen und Tiere andererseits.

Ein „Altwasser“ mit Silberweidenbestand im Naturschutzgebiet
Ein „Altwasser“ mit Silberweidenbestand im Naturschutzgebiet "Saarn-Mendener Ruhraue" © Stadt Mülheim

Mit der Saarner Ruhr­aue hat Mülheim nämlich ein FFH-Gebiet, ein Fauna-Flora-Habitat, mitten in der Stadt, was unter europäischen Richtlinien besonderen Schutz genießt. „Wir wollen ja nicht sagen, da darf keiner rein, aber wir wollen manche Bereiche etwas beruhigen“, sagt Gabriele Wegner. Seltene Tiere wie der Eisvogel benötigen eben besonderen Schutz. „Es wäre schon schön, wenn alle ihren Müll mitnähmen, ihre Hunde anleinen würden und auch die Zäune in Ruhe lassen“, wünscht sie sich. Zäune gibt es im Naturschutzgebiet übrigens nur da, wo besonders hoher Besucherdruck herrscht, wo etwa brütende Vögel geschützt werden müssen. Die meisten Mülheimer, ist Gabriele Wegner überzeugt, erfreuen sich an der Natur und akzeptieren auch einige Einschränkungen.

Kleinteilige Gebiete, wie diese Kopfbaumweiden, sind besonders geschützt.
Kleinteilige Gebiete, wie diese Kopfbaumweiden, sind besonders geschützt. © Timo Günther, Archiv

„Landschaftspläne sind nicht in Stein gemeißelt – man kann immer etwas ändern“, sagt Gabriele Wegner. Manchmal muss man das sogar in die andere Richtung: Etwa wenn ein bauwilliger Bürger vor dem Verwaltungsgericht erfolgreich geklagt hat. Dennoch bleibt für Gabriele Wegner Mülheim die grünste Stadt im Revier. Im hochverdichteten Ballungsraum ein Naturschutzgebiet mitten im Zentrum zu haben, „das ist schon etwas Besonderes.“

>>> Eine der ersten Städte mit einem Landschaftsplan

Mülheim gehörte im Jahr 1982 zu den ersten Kommunen, die einen Landschaftsplan beschlossen haben.

Ohne die Natur- und Landschaftsschutzgebiete von 1982 wären viele der heute geschützten Bereiche bereits bebaut, so die Stadt. Der neue Landschaftsplan (und noch gültige) von 2005 entstand mit Bürgerbeteiligung.