Mülheim. . 151 Inobhutnahmen hat es im vergangenen Jahr in Mülheim gegeben. Eltern seien zunehmend überfordert, sagt KSD-Leiterin Martina Wilinski.

  • 536 Meldungen über Kindeswohlgefährdung registrierte die Stadt Mülheim 2016, das sind 202 Fälle mehr als 2015
  • Bei 191 Mädchen und Jungen wurde eine latente oder sogar eine akute Kindeswohlgefährdung erkannt
  • Sozialdienst-Leiterin Wilinski: Ich glaube, dass die Zahlen in den nächsten Jahren weiter steigen werden

Gesund und geborgen – unter diesen Attributen sollten alle Kinder in Mülheim aufwachsen. Tun sie es nicht, wird der Kommunale Soziale Dienst (KSD) aktiv. Und das war 2016 um einiges häufiger der Fall als noch ein Jahr zuvor. Insgesamt 536 Meldungen über Kindeswohlgefährdung registrierte der KSD demnach im vergangenen Jahr, das sind insgesamt 202 Fälle mehr als noch 2015.

Und das hat laut KSD-Leiterin Martina Wilinski drei maßgebliche Gründe. Zum einen sei die Gesellschaft nach aufsehenerregenden Fällen, wie zum Beispiel in Bremen 2006 (Kevin), deutlich sensibilisierter und melde sich häufiger bei einem Verdacht. Zum anderen habe der Gesetzgeber in den vergangenen Jahren deutlich nachgesteuert. „Diese Reformen schlagen sich jetzt auch auf die Zahlen nieder“, sagt Martina Wilinski.

Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Probleme, Überforderung

Und drittens gebe es mehr Familien, denen es zunehmend schlechter gehe und die selbst keine eigenen Mechanismen mehr entwickeln könnten, um sich selbst zu helfen.

Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Probleme, Überforderung nennt die KSD-Leiterin unter anderem als Gründe. Dies sei aber ein bundesweiter Trend, so Wilinski weiter, die mit ihrem Team in jedem einzelnen Fall prüft, ob ein erhöhter Förderbedarf für die Familien notwendig ist, ob besondere Risikolagen bestehen, oder ob das Kindeswohl akut gefährdet ist. Und das sei häufig nicht einfach. „Oft ist der Zugang zu den Familien schwieriger, weil sie sich aus Scham vollkommen abschotten.“ Umso wichtiger sind für den KSD auch die gemeldeten Fälle.

46 Kinder wurden aus den Familien genommen

Von 536 Meldungen bestand in 345 Fällen keine Gefährdung. Bei insgesamt 191 Mädchen und Jungen hat es allerdings eine latente oder sogar eine akute Kindeswohlgefährdung gegeben. Auch das bedeutet eine deutliche Steigerung im Vergleich zu 120 Fällen im Jahr 2015. In 46 Fällen wurden die Kinder aus den Familien genommen (2015: 28). „Da musste es schnell gehen“, so Martina Wilinski.

In insgesamt 177 von 536 gemeldeten Fällen leitete der KSD konkrete Hilfen zur Erziehung ein, um das Kindeswohl langfristig zu sichern. Neben den 46 Inobhutnahmen, die aus Meldungen hervorgegangen sind, hat der KSD 105 weitere Kinder und Jugendliche in Obhut genommen, die aus bereits bekannten Familien stammen. Macht insgesamt 151 Inobhutnahmen.

Die Arbeitsbelastung der KSD-Mitarbeiter steigt

83 betroffene Minderjährige waren jünger als 14 Jahre, 68 Mädchen und Jungen im Alter zwischen 14 und 17 Jahre. Und nur 22 Kinder und Jugendliche sind zu ihren Eltern zurückgekehrt. Durch die zunehmende Zahl steigt auch die Arbeitsbelastung der KSD-Mitarbeiter, die in der Vergangenheit jeweils zwischen 60 und 70 Familien betreuten.

Die Stadt hat bereits reagiert und Ende vergangenen Jahres zehn neue Fachkräfte eingestellt. Und für die KSD-Leiterin dürfte die Verstärkung zur rechten Zeit gekommen sein. „Ich glaube“, sagt Martina Wilinski, „dass die Zahlen in den nächsten Jahren weiter steigen werden.“