Mülheim. . 115 Sparvorschläge der GPA liegen für Mülheim auf dem Tisch. Etwa dieser: Sollte Verwaltungsmitarbeitern ein freier Tag gestrichen werden?
- Mülheims Politik äußert sich noch zurückhaltend zu den 115 Sparvorschlägen der Gemeindeprüfungsanstalt
- Die CDU will noch kein Urteil fällen und verweist auf die nächste Etatdebatte, die SPD will besondere Standards halten
- FDP, MBI und BAMH vermissen die Kreativität der Gutachter, die Grünen sehen den Charakter der Stadt gefährdet
Kann sich eine Stadt mit 1,6 Milliarden Schulden gleich zwei Amtsleiter für die Kultur leisten? Sollte sie hingehen und möglichst schnell das Nutzungsentgelt für Anmietung der VHS-Räume erhöhen? Oder die Unterstützung von Sportvereinen einstellen? Alles Anregungen, die die Gutachter der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) der Stadtverwaltung und den Ratsmitgliedern jetzt auf den Tisch gelegt haben. 115 Vorschläge gibt es, etwa 18 Millionen Euro mehr auf der jährlichen Habenseite wären dadurch erzielbar. Begeisterung auf Seiten der Stadtverwaltung ist nicht zu spüren, aus der Politik ist bereits von Enttäuschung die Rede.
„Nichts Neues“, sagt FDP-Fraktionschef Peter Beitz, gesteht aber auch, dass er nicht mehr erwartet habe. Ihm fehle Innovatives. Dass nun auch „heilige Kühe“ in der Verwaltung zur Disposition stehen, kann er sich überhaupt nicht vorstellen, zumal bereits festgelegt sei, dass betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen werden. „Es ist halt ein Papier mehr. Seit 30 Jahren gehen Unternehmensberater durchs Haus, ohne dass sich großartig etwas geändert hat.“
CDU: Vorschläge in nächster Etatdebatte aufgreifen
250 000 Euro hat das Gutachten gekostet. Das Land trägt, da Mülheim eine hoch verschuldete Stadt ist, 80 Prozent davon. In der Stadtverwaltung will man die Vorschläge intensiv prüfen, wobei alle Amtsleiter bereits bestens im Bilde sind, sie haben den Gutachtern bei den Vorschlägen zumindest Rede und Antwort gestanden.
Die CDU will sich noch nicht zum Papier äußern. Zu frisch alles, heißt es. „Die Vorschläge werden sicher bei den nächsten Haushaltsberatungen eine große Rolle spielen“, erklärt Fraktionsgeschäftsführer Hansgeorg Schiemer. 9,6 Millionen Euro muss die Stadt auf jeden Fall noch sparen oder mehr einnehmen. Das ist beschlossen.
Zur Wahl steht dabei auch, den Eltern, deren Kinder eine Tagesstätte oder den Offenen Ganztang an Schulen besuchen, mehr Geld abzunehmen. So schlagen die Gutachter unter anderem vor, bei der Offenen Ganztagsschule schon ab einem Jahreseinkommen von 60 000 Euro den Höchstsatz an Beiträgen zu verlangen. Der Vorschlag, das Naturbad in Styrum nicht mehr mit jährlich 237 000 Euro zu subventionieren, hieße: Die Eintrittspreise steigen für alle.
SPD-Fraktionschef: Gutachter haben keine Patentlösung
Eine Patentlösung gegen die massive Verschuldung, so sieht es der SPD-Fraktionschef Dieter Wiechering, lieferten auch die Gutachter nicht. Aber immerhin eine Reihe von Vorschlägen, um die sich Politik intensiv kümmern müsse, aber auch die Verwaltung: „Da gibt es Sparvorschläge zu Prozessen in der Verwaltung, die kann Politik nicht bewerten.“ Ärgerlich, so Wiechering, sei, dass wieder so Vorschläge kommen wie die Schließung des Kunstmuseums. Ein alter Vorschlag, mehrfach abgelehnt. Und dass sich die Stadt hohe Standards leiste, etwa bei der Kinderbetreuung, sei bekannt und auch gewollt. Der SPD-Mann ist überzeugt, das sich aber auch manches schnell umsetzen ließe.
Ohne Bürgern oder Mitarbeitern wehzutun, werde kaum eine Einsparungen möglich sein, sind sich alle einig: Etwa wenn es um die Frage geht: Soll die Dienstbefreiung für die Mitarbeiter an ihrem Geburtstag abgeschafft werden? 207.000 Euro soll das bringen. Oder wenn es darum geht, bei den Schulsekretariaten zu kürzen: 225.000 Euro halten die Gutachter hier für möglich. Oder wenn Spielplätze aufgegeben werden sollen, um andere besser auszustatten. Könnte 37.000 Euro bringen.
Grüne: Wer überall spart, verliert seinen Charakter
Die Grünen sprechen von einer buchhalterischen Fleißarbeit, halten diese aber nur in Maßen für verwertbar, so Fraktionssprecher Tim Giesbert. Würden alle Vorschläge ausnahmslos umgesetzt, ist sich Giesbert sicher, sei Mülheim nicht mehr wiederzuerkennen, verlöre Charakter und Identität.
Die Frage sei, so Ratsfrau Brigitte Erd, ob dies im Sinne der Bürger sei. „Wollen sie wirklich in einem Gemeinwesen mit nur noch Spuren eines sozialen Netzes, kaum noch vorhandener kultureller und stark eingeschränkter Bildungsstruktur leben?“
BAMH und MBI vermissen Kreativität in den Vorschlägen
Stark enttäuscht gibt sich Jochen Hartmann vom Bürgerlichen Aufbruch Mülheim. Jegliche Kreativität vermisst er. Einsparungen im Bereich des Ordnungsamtes, wo es um die Sicherheit der Bürger gehe, hält er gar für fatal angesichts zunehmender subjektiver Ängste. Und Grundstückverkäufe brächten nur einen Einmaleffekt.
MBI-Fraktionssprecher Lothar Reinhard sieht in den Gutachter-Vorschlägen nicht den großen Wurf, eher Ideen „aus alten katalogen“. Was fehle, sei der Blick auf die ausgegliederten städtischen Tochtergesellschaften, die üppiger Zuschüsse bedürften. Die Stadttöchter gelte es zu „zivilisieren“. Erst wenn sie in den Kernhaushalt zurückgeholt seien, sei es möglich, einen kompletten Überblick über Sparpotenziale zu erhalten.