Mülheim. . Sorgt der neue 15-Minuten-Takt für rappelvolle Straßenbahnen und lange Wartezeiten? Ein Erfahrungsbericht von einer Fahrt mit der Linie 102.

  • Ein Mitarbeiter von uns hat den neuen 15-Minuten-Takt morgens im Schülerverkehr getestet
  • Am Hauptbahnhof kommt die Linie 102 verspätet und übervoll an, später wird’s leerer
  • Während Schüler gelassen reagieren, ist der Ärger insbesondere bei Berufspendlern groß

7.20 Uhr, Mülheim Hauptbahnhof: Ich reibe mir die Augen, es ist nicht ganz meine Zeit. In meiner Pendlerkarriere als Student und Journalist blieben mir die Stoßzeiten im öffentlichen Berufsverkehr erspart. Und als Jugendlicher? Da konnte ich immer zur Schule laufen. Eine Fahrplanänderung wie die vom 8. Januar 2017 hätte und habe ich mit Schulterzucken hingenommen. Die Bahn kommt nur noch alle 15 statt zehn Minuten? Passt schon.

So ergeht es nicht vielen. Für zahlreiche Mülheimer bedeuten die Fahrplanänderungen: umgewöhnen, in die Tram quetschen, länger warten. So die Theorie. Ich will wissen: Ist der ausgedünnte Fahrplan wirklich eine Zumutung? Also warte ich Montagfrüh vor Schulbeginn auf die Linie 102 Richtung Uhlenhorst. Es ist die Strecke hunderter Schüler, die im Schulzentrum ­Broich aussteigen. Wenn Auswirkungen des neuen Plans zu spüren sind, dann hier, denke ich.

Student: Ich seh’ das nicht so eng mit dem Fahrplan

Während ich auf die Straßenbahn warte, komme ich mit dem Studenten Jan Van der Fels ins Gespräch. „Ich kann auch die 901 bis zur HRW nehmen. Ich seh’ das deswegen nicht so eng mit dem Fahrplan”, sagt er.

Heike B. muss sich schon mehr anstrengen, um den Ärger hinter ihrem freundlichen Lächeln zu verbergen. Viele Fahrten würden einfach ausfallen – und das sei mit dem neuen Plan besonders fatal. „Dann muss man umso länger warten”, sagt die Heißenerin. „Da laufe ich lieber zur Arbeit, nur heute ist es zu kalt.” Und hat der Fahrplan auch für vollere Trams gesorgt, will ich wissen? „Na klar!”, sagt sie. Die 102 fährt mit fünf Minuten Verspätung ein. „Sehen Sie selbst!”

Die Straßenbahn platzt aus allen Schrauben

Tatsächlich platzt die Straßenbahn aus allen Schrauben. Hier würde ich mich ungerne jeden Morgen hineindrängen müssen. „Jetzt heißt es erst mal Schlangestehen”, sagt Heike B. Die Hälfte des Wagens leert sich. Trotzdem fällt das Einsteigen schwer, weil viele Fahrgäste an den Türen stehen bleiben. „Das gibt’s zu jeder Uhrzeit”, flüstere ich seufzend. Aber einmal eingetreten, darf ich wählerisch beim Sitzplatz sein. Ich hatte wirklich mehr Leute erwartet.

Was sie von dem neuen Fahrplan halten, frage ich zwei Schüler. „Ist schon doof, weil ich jetzt viel später oder viel früher an der Schule bin”, sagt der elfjährige Jonathan. Sein Freund Jonas nimmt es unbeschwerter und stellt den Wecker einfach zeitiger. „Ich bin von der frühen Truppe”, sagt er. Michael stößt dazu und fragt sich, worüber wir überhaupt reden. „Die Bahn kommt doch alle zehn Minuten, oder?” Die Fahrplanänderung ist dem Elfjährigen nicht mal aufgefallen. Auch drei Mädchen, die ich nach dem neuen Plan frage, gucken nur verdutzt. „Ist schon okay so.”

Berufspendler nehmen es nicht so locker

Die Schüler nehmen es locker, die Berufspendler weniger: Als ich – wie die meisten Fahrgäste – an der Thüringer Straße aussteige, lerne ich Cornelia Baum kennen. „Dieser 15-Minuten-Takt stört wirklich extrem”, schießt sie los. Bei der Stadt habe sie sich schon beschwert. „Es geht an jeder Haltestelle viel Zeit verloren und es ist so voll, dass man nicht vernünftig rein- und rauskommt.” Am schlimmsten sei es jedoch für ihre Kollegen aus Bochum, die mit dem Regionalexpress kommen. Deren Anschluss passe jetzt nicht mehr. Ich folge Baum in die 102 Richtung Oberdümpten.

Wieder sind einige Plätze frei. „Normalerweise ist es hier viel voller”, sagt Baum. Wir haben Zuhörer, die das bestätigen – und sich auch über die neue Taktierung ärgern. „Die Anschlüsse funktionieren einfach nicht”, sagt Petra Mintken. Vor dem 8. Januar habe sie problemlos von der 102 auf die stündlich fahrende Buslinie 134 umsteigen können. „Damit ist jetzt Schluss”.

Vorschlag: Morgens Takt wieder verdichten

Karin Beckmann hat einen konstruktiven Vorschlag: „Warum führt man zwischen 7 und 9 Uhr keine Taktverdichtung ein?” Die anderen nicken, dann seien die Probleme doch vom Tisch. Wären sie es wirklich? Was ist beim Nachhauseweg, am Abend, wenn die 102 nur noch alle 30 Minuten fährt? Für den Moment denke ich, die Beinfreiheit auf dem Sitzplatz genießend: könnte wirklich schlimmer sein mit dem neuen Plan. Vielleicht sollte ich wirklich in den Abendstunden wiederkommen.