Mülheim. . Peter Stickney, künstlerischer Kopf der Lord Chamberlain’s Men, kommt zum Workshop in die Karl-Ziegler-Schule und arbeitet mit den Schülern.

  • Stickney möchte für das Theater im Allgemeinen und Shakespeare im Besonderen begeistern
  • Seit 16 Wochen ist er mit seiner Truppe schon unterwegs
  • Den Schülern erklärt Stickney die Wichtigkeit von Atemübungen

Peter Stickney kommt nicht mit Rüschenhemd, Pumphosen oder Lederstiefeln in die Karl-Ziegler-Schule, um mit 20 Schülern eines Projektkurses zum Englischen Schauspiel des Abschlussjahrgangs einen Workshop abzuhalten. Der 34-jährige Brite trägt ein schlichtes T-Shirt, Jeans und Turnschuhe, denn er möchte mit den Schülern arbeiten, sie für das Theater im Allgemeinen und Shakespeare im Besonderen begeistern. Das einzige, was er mitgebracht hat, sind einige Kopien einer nur elfzeiligen Schlüsselszene.

Arbeiten, das bedeutet in erster Linie Körperarbeit, denn zum Spielen auf der Bühne gehören auch Kondition und eine kräftige Stimme, die weit trägt. Stickney legt ein strammes Tempo vor, steht mit weitausladenden Gesten inmitten der Schüler, spricht ein wohlartikuliertes Englisch und stellt einige Fragen zu dem vor 400 Jahren gestorbenen Literaten aus Stratford.

Pädagoginnen sind begeistert

Stickney ist der künstlerische Kopf der Lord Chamberlain’s Men, die am Wochenende im Klosterhof in Saarn als Höhepunkt des Leaf-Festivals „Viel Lärm um nichts“ spielen. Bildung ist für die Festivalmacher von Interkultur ein wichtiges Anliegen. Seit 16 Wochen ist er mit seiner Truppe unterwegs.

Die Lehrerin Dorothee Schepers, die den Kurs mit Julia Spindeler gibt, macht schon zum vierten Mal mit. Und beide Pädagoginnen sind ganz begeistert, einen kompetenten Gast, zumal einen „native speaker“ in den Unterricht zu bringen, dem es um Leidenschaft und nicht um Noten geht. Im vergangenen Jahr ging es um Kämpfe auf der Bühne, ein Duell kann aber in „Viel Lärm um Nichts“ in letzter Minute verhindert werden, so stehen Verse und Stimme im Zentrum.

Konzentration schärfen

Wie Fische im Aquarium lässt der Schauspieler die Schüler schnell in alle Richtungen durch den Raum gehen. Auf sein Kommando sollen sie wie eine Statue erstarren, hüpfen, den Boden berühren oder sich die Hände schütteln. Nach einer Weile vertauscht er Kommando und Bedeutung: Runter bedeutet etwa plötzlich zu hüpfen. Das schärft die Konzentration. Warum das sinnvoll ist, will er auch von den Schülern wissen und sagt beruhigend dazu, dass es keine dummen Antworten gebe. So spontan reagieren zu können, sei in den Aufführungen wichtig. „Niemand ist perfekt, auch wir nicht. Es kann passieren, dass wir einen Satz vergessen oder plötzlich feststellen, dass wir auf der anderen Bühnenseite stehen müssten“, erzählt er.

Bald liegen alle mit dem Rücken auf dem Boden. „Während meiner dreijährigen Ausbildung habe ich in Summe bestimmt ein Jahr in dieser Haltung verbracht“, meint Stickney. Sie erleichtert das Atmen.

Szene richtig verstehen

Dass eine Frau ihrer Liebe gewahr und sich ihrer Fehler bewusst wird, dass können junge Leute in der Gegenwart sich gut nachvollziehen, obwohl es in dem Stück eher List bedarf. „Man kann die Szene nur spielen, wenn man sie auch richtig versteht. Erst dann kann man den Zuschauer mit der Szene berühren“, erklärt Stickney und lässt die Schüler zunächst die altertümlich anmutenden Verse in zeitgenössisches, jugendliches Englisch übersetzen und damit sie ein Gefühl für den Rhythmus und Emotion erhalten, fordert er sie auf, Shakespeares Text, während sie durch den Raum gehen, laut zu lesen und bei jedem Satzzeichen die Richtung zu ändern. Die Vielzahl der Satzzeichen zeige, wie aufgeregt Beatrice ist und die Entwicklung, die Shakespeare sie in dieser auf wenigen Zeilen verdichtete Szene durchleben lässt, zeige schon eine große sprachliche Meisterschaft.

„Das war ganz anders“, sagt später ein sichtlich erfreuter Schüler.