Mülheim. Ein engagiertes Quintett aus Mülheim hat 60 Spiele aus aller Welt gesammelt. Die Idee entstand vor vier Jahren in Eppinghofen.

  • 80 Seiten mit Hüpf-, Lauf- oder Klatschspielen aus aller Welt
  • Bewegungsarmut: Schon bei Zehnjährigen kommt freies Spielen aus der Mode
  • Handyverbot gilt an mancher Schule nur theoretisch

„Henriette, gold’ne Kette“, „Plumpsack“, „Ochs am Berge“ oder „Laurenzia“: Wer in früheren Jahrzehnten Kind war, lernte solche Spiele einfach durchs Mitmachen. Jetzt sind die Anleitungen zu 60 Pausenhof-Klassikern als Buch erschienen. Gesammelt, notiert hat sie ein engagiertes Quintett aus Mülheim, zwei Frauen und drei Männer, die selber zwischen 1936 und 1965 geboren wurde.

Der 80-seitige Band wurde am Montag in der Aula der Hauptschule an der Bruchstraße, früher: Max-Kölges-Schule, vorgestellt. Dort nahm das Comeback der Pausenhof-Oldies vor rund vier Jahren auch seinen Lauf. 2012, im Rahmen der Werkstattwoche „Eppinghofen bewegt sich“, kamen Aktive aus dem Netzwerk der Generationen ins Gespräch über Spiele ihrer Kindheit. „Dabei“, so erinnert sich Jörg Marx, Sozialplaner der Stadt, „ergab sich interessanter Weise, dass ein Kollege, der aus Chile stammt, die gleichen Spiele kannte wie ein anderer aus der Türkei.“

Ein Team von Ehrenamtlichen um Marlies Rustemeyer vom CBE und Peter Behmenburg verfolgte die Idee weiter, hörte sich um, sammelte Spiele. Bald konnten auch Jugendliche von der Hauptschule an der Bruchstraße für Omas und Opas Freizeitvergnügen gewonnen werden. Jahrelang fanden dort jeden Montagmittag Schulhofspiele statt, angeleitet von Freiwilligen.

Ideen gegen Bewegungsarmut

Mit gutem Zuspruch. Eine Zeitlang gab es solche Pausenfüller ebenfalls an der Gemeinschaftsgrundschule Sunderplatz. Auch am Weltspieltag wurden in Mülheim Kreidekästchen gezogen, dekorativ gespannte Fäden von Fingern gezogen, Seile geschwungen.

Das nun im Verlag an der Ruhr erschienene Buch sortiert das Erfahrungswissen mehrerer Generationen in sieben Kapitel. Seil-, Ball-, Hüpf-, Lauf- oder Klatschspiele werden ebenso erklärt wie Beschäftigungsformen mit Murmeln oder Tüchern und nicht zuletzt Spiele aus aller Welt „Hündchen im Stall“ heißt beispielsweise eine Variante aus Paraguay, die man hierzulande als „Schweinchen ärgern“ kennt. „Fünf Steine“ spielen wiederum türkische Kinder gerne, auch mit Haselnüssen oder Fruchtkernen, es ist das einzige Spiel in diesem Buch, dessen Beschreibung sich über zwei Seiten erstreckt.

Dass die Ideensammlung reichlich Anwendung findet bei schulpflichtigen Menschen, wünscht man sich. Denn der „zunehmenden Bewegungsarmut bei Kindern“ begegnet nicht nur Nicola Küppers, Leiterin der Grundschule am Dichterviertel, tagtäglich. Das Spielen mit einfachen Mitteln, in der Pause wie auch nach dem Unterricht, droht schon bei Zehnjährigen aus der Mode zu kommen.

Jugendliche „chillen“ am liebsten

An der Grundschule am Dichterviertel stehen die Spieleklassiker noch etwa alle zwei Wochen auf dem Pausenprogramm, nicht Lehrerinnen, sondern „Kinderchefs“ übernehmen dann die Regie.

Hier, in der Altersgruppe der Sechs- bis Zehnjährigen, wird zwischen den Unterrichtsstunden noch richtig gerannt und gespielt. „Wir haben Roller, Fahrräder und die Möglichkeit, zu balancieren“, berichtet Schulleiterin Nicola Küppers. Verboten, aus Sicherheitsgründen, sind Einräder oder harte Bälle, auch Mobiltelefone haben in der Grundschule nichts zu suchen.

Handyverbot gilt – theoretisch – auch an der Hauptschule am Hexbachtal, „es ist aber sehr anstrengend, dies zu kontrollieren“, sagt Schulleiterin Barbara Kromer. Ihre Jugendliche „chillen“ am liebsten in den Pausen. Das bestätigt auch Regina Demsar-Hanewinkel, Klassenlehrerin der 9g am Standort Bruchstraße. „Die Jungs kicken aber auch gerne und fragen häufig nach einem Ball.“ Ausgehändigt wird aber nur eine Soft-Version.

Auch am Hauptschul-Standort Gathestraße, wo die Fünf- bis Siebtklässler lernen, „soll wieder mehr gespielt werden“, erklärt Schulleiterin Barbara Kromer, „und zwar aggressionsfrei“. Denn derzeit würde dort auf dem Hof viel gestritten. Ein Spiel-Projekt mit Paten oder „Buddys“ sei in Planung.