Mülheim. Bei der Caritas-Suchtberatung melden sich seit Jahresbeginn auffällig viele verzweifelte Partner oder Eltern von Abhängigen. Meist geht es um Alkohol.

  • Große Scheu, im Bekanntenkreis über Probleme zu reden
  • Caritas-Beratungsstelle bietet Erstgespräch binnen zwei bis drei Wochen
  • Ginko: Betroffene Jugendliche sind ohne die Eltern kaum zu erreichen

Seit 1959 betreibt die Caritas Mülheim eine Suchtberatungsstelle. Das vierköpfige Team ist konstant gefragt, 2015 verzeichneten sie beispielsweise 220 Anfragen. Etwa ein Viertel davon seien nur einmalige Kontakte gewesen, berichtet Astrid Blasius, eine der Beraterinnen. In 155 Fällen aber hätten sie Menschen längerfristig unterstützt.

In jüngster Zeit kommt eine auffällige Entwicklung hinzu: „Wir arbeiten schon lange mit Angehörigen“, berichtet Blasius, „aber in diesem Jahr, vor allem in den letzten Wochen, gab es geballt Anfragen.“ Während sich 2015 insgesamt nur neun ratsuchende Angehörige bei der Psychosozialen Beratungsstelle meldeten, waren es bis Ende August 2016 bereits 20. Überwiegend kommen Menschen, die an der Alkoholkrankheit ihrer Partner oder erwachsenen Kinder verzweifeln. Bisweilen geht es auch um Spiel- oder Kaufsucht.

Welche Gründe die stark gestiegene Nachfrage hat, darüber rätselt das Team selber. Jedenfalls, so ergänzt Caritas-Beraterin Regina Wedeking, „ist es wichtig, den Angehörigen eine Anlaufstelle zu bieten. Auch wenn man die Betroffenen selber nicht erreichen kann“. Wer anruft, erhält innerhalb von zwei bis drei Wochen einen Termin für ein Erstgespräch, versichern die Beraterinnen. Falls es allerdings um Jugendliche geht, die Suchtprobleme haben oder sich um ihre Eltern sorgen, dann verweisen wir sie an eine andere Stelle: an Ginko.

Achterbahnfahrt zwischen Hoffnung und Enttäuschung

Enge Zusammenarbeit wird mit dem Kreuzbund gepflegt, in dessen Selbsthilfegruppen traditionell auch Angehörige vertreten sind. „Sie haben ebenso viel Scheu wie die Suchtkranken selber, mit Freunden über ihre Probleme zu reden“, erklärt Klaus Heckhoff, stellvertretender Vorsitzender des Kreuzbundes in Mülheim.Was Angehörige erleben, gleiche oft einer „emotionalen Achterbahnfahrt zwischen immer neuer Hoffnung und Enttäuschung“, sagt Regina Wedeking,. „Entlastungsgespräche tun diesen Leuten sehr gut“, ergänzt Astrid Blasius und nimmt als Beispiel Frau A., 66 Jahre alt, die seit längerer Zeit alle paar Wochen in die Beratungsstelle kommt.

Ihrem Sohn, 40, alkoholkrank, ohne Arbeit, etliche abgebrochene Therapien, werde sie wahrscheinlich nicht mehr helfen können. Ziel sei, auf Abstand zu gehen, mehr für sich selber zu tun. Frau A. treibt mittlerweile etwas Sport, fährt in Urlaub und quält sich seltener mit Fragen nach dem eigenen Versagen.

Jugendberatung nicht ohne die Eltern

In Mülheim gibt es noch weitere Beratungsstellen bei Suchtproblemen, etwa das Ambulatorium der Diakonie. Es steht Alkohol- und Medikamentenabhängigen, Spielern und ausdrücklich auch Angehörigen offen. Eine auffällige Häufung solcher Anfragen verzeichnet Heiko Mittelhockamp, Leiter des Ambulatoriums, zwar nicht, er bestätigt aber, dass viele Partner oder Eltern Rat suchen. „Wir bieten eine gewisse Anzahl an Beratungsterminen an, oft haben die Angehörigen dann schon selber eine Idee, wie sie das Thema auch im Freundeskreis ansprechen können.“ An Selbsthilfegruppen werde ebenfalls verwiesen.

Besonders wichtig ist die Einbindung von Bezugspersonen, Familien und Angehörigen bei Ginko, denn diese Stelle kümmert sich speziell um 14- bis 26-Jährige, die suchtgefährdet sind. „Man kann Jugendliche nicht erreichen ohne die Eltern“, sagt Hans-Jürgen Haak, einer der Berater aus dem Ginko-Team. Dass ratsuchende Eltern kommen, passiere nicht häufiger als in früheren Jahren, „aber die Themen ändern sich“.

Info: Ambulatorium, Althofstraße 4, offene Sprechstunde montags 14 bis 16 Uhr, 0208/3003-223. Ginko, Kaiserstraße 90, 0208/ 30069-31, jugendberatung@ginko-stiftung.de