Mülheim. . Spielsucht kann Existenzen bedrohen. So stieg im vergangenen Jahr nicht nur das an Mülheimer Spielautomaten verzockte Geld, sondern auch die Nachfrage nach dem entsprechenden Beratungsangebot der Diakonie.
814 Spielautomaten stehen in Mülheim. An ihnen verloren Bürger im vergangenen Jahr rund 13,6 Millionen Euro. Tatsächlich zocken Spielsüchtige vor allem an diesen Geräten. „Sie spielen nicht nur an einem, sondern an vier Automaten gleichzeitig“, weiß Heiko Mittelhockamp. Er ist Leiter des Ambulatoriums des Diakonischen Werkes, das sich vornehmlich um Alkohol- und Medikamentenabhängige kümmert, doch seit einigen Jahren mit der Spieler-Selbsthilfegruppe eine vorher bestehende Versorgungslücke in Mülheim schließt und Spielsüchtige berät. Das Angebot will die Diakonie ausbauen – denn der Bedarf ist da.
Seit Januar kamen rund 30 Spielsüchtige zur Einzelberatung ins Ambulatorium an die Althofstraße 4 – Tendenz stetig steigend. Heiko Mittelhockamp hat in den Beratungsgesprächen erfahren, wie groß der Leidensdruck sein muss, damit Menschen den Schritt in die Beratung tun: „immens“ nämlich. Der Druck kann von außen kommen, weil sich die Sucht nicht mehr verheimlichen lässt oder von innen, weil die Sorgen, die Schulden zu hoch werden. Denn das dürfe man nie vergessen, wenn etwa Familienväter Monatsgehälter innerhalb von Stunden in Automaten schmeißen: Bei Spielsucht geht es um Vermögenswerte, um Existenzen. „Bei keiner Sucht ist die Selbstmordrate so hoch, wie in der Spielsucht“, weiß Karsten, der die Spieler-Selbsthilfegruppe leitet.
Spielsüchtige aus allen Schichten
Meist sind es die Angehörigen, die Hilfe suchen, weil sie der Sucht ihres Partners machtlos gegenüberstehen. Spielsüchtige kommen aus allen Schichten, sind aber meist männlich – auch wenn die Frauen laut Karsten kräftig aufholen. „Was wir aber feststellen“, sagt Karsten, „ist, dass die Betroffenen immer jünger werden. Es nehmen inzwischen auch Anfang 20-Jährige zu uns Kontakt auf.“ Auch sie verzocken das meiste Geld an Automaten.
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Diverse, mögliche Gegenmaßnahmen werden diskutiert, die Fachleute sind sich jedoch uneinig – auch in Mülheim. Während Heiko Mittelhockamp eine Reduzierung der Gewinne an den Geräten für sinnvoll hält, würde Karsten eine Spielerkarte begrüßen, die mit einer Geldsumme aufgeladen werden kann. Die gesetzlich vorgeschriebene Reduzierung der Konzessionen und damit der Automaten sehen beide jedoch skeptisch. Denn, das würde das Grundproblem nicht lösen: Die gefühlte Kontrolle über das Geschehen an den Geräten sei größer als die reale, sagt Heiko Mittelhockamp. Die technische Entwicklung der Automaten, die speziell den Suchtfaktor etwa über Licht- und Tonreize erhöhe, sei groß: „Was da passiert ist nicht ohne, und es steckt viel Kalkül dahinter.“