Mülheim. . Seitdem sein Kellertheater an der Georgstraße nach dem Pfingststurm Ela nicht mehr zu betreiben war, gibt Dean Luthmann Gastspiele, etwa im Restaurant Lezginka. Jetzt las er Texte von Egon Erwin Kisch.

Ein Mann mit weißen Haaren, Rauschebart und gezwirbeltem Schnauz, gemütlich sitzt er in einem schweren Ledersessel, auf den Knien eine Kladde, aus der er mit sonorer Stimme vorliest. Eine flackernde Kerze taucht das Ambiente in stimmungsvolles Licht. Der Mülheimer Kulturmacher Dean Luthmann hatte erneut zu einer musikalischen Krimi-Lesung in das kaukasische Restaurant Lezginka eingeladen – dazu Wein, Salat, Musik und eine Portion Chatschapuri.

In seiner beliebten Lesereihe „Wir zwitschern uns einen“ ging es im Weinkeller diesmal um einen rasenden Reporter. Der Abend stand unter dem Motto „Zur Erregung brauch ich Ruhe – Geschichten des Journalisten Egon Erwin Kisch“. Dieser gilt als einer der bedeutendsten Reporter in der Geschichte des Journalismus. Nach dem Titel eines seiner Reportage-Bände ist Egon Erwin Kisch daher auch als „der rasende Reporter“ bekannt.

Dean Luthmann
Dean Luthmann © Funke Foto Services

Dean Luthmann – hinter diesem Kopf steckt das Theater „affabile“, welches er in den 90er-Jahren zusammen mit seiner Frau Simone gegründet hat. Das Theater „affabile“ blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Es hatte seinen Fundus und Probenstandort zunächst in der Stadthalle. Nach etlichen, nicht unbedingt freiwilligen Umzügen quer durch die ganze Stadt eröffnete das Theater „affabile“ als das „Kleine Kellertheater“ in der Georgstraße, unter dem Jugendheim. In den folgenden sieben Jahren etablierte es sich mit 35 verschiedenen musikalisch-literarischen Schauspiel- und Konzertprogrammen sowie Literaturlesungen mit Musik. Die Gäste liebten das kleine Schauspielhaus mit knapp 20 Sitzplätzen und kamen nicht nur aus Mülheim, sondern auch aus den Nachbarstädten, berichtet Luthmann rückblickend.

Das kleine Kellertheater gibt es jedoch seit dem 1. Mai 2015 nicht mehr. Seit der dritten Überschwemmung nach den Jahren 2009 und 2011 und zuletzt durch den Sturm Ela im Juni 2014 musste der Betrieb eingestellt werden. Die wirtschaftlichen Schäden seien so erheblich gewesen, dass alle Versuche, das Kellertheater weiter zu betreiben, ins Leere gelaufen seien, erzählt der Theatermacher. So bleibt das Theater „affabile“ immerhin als Gastspieltheater aktiv – in Mülheim vornehmlich im Restaurant Lezginka, dem ehemaligen Schifferhaus. Der Künstler bestreitet es als Ein-Mann-Show, seine Frau Simone unterstützt ihn im Hintergrund und kümmert sich um die Öffentlichkeitsarbeit. Gerne würde Dean Luthmann auch zusammen mit Kollegen zu spielen. „Ich träume natürlich immer wieder mal von einer größeren Inszenierung, aber damit sind leider auch Kosten und ein hoher Aufwand verbunden“, erklärt er. Ganz ausschließen will er diese Option allerdings nicht.

Mülheimer Standort mit langer Tradition – altes Schifferhaus

Der Standort, in dem heute das Restaurant Lezginka untergebracht ist, hat eine bewegte Geschichte hinter sich: Es ist das ehemalige Schifferhaus in der Innenstadt. Generationen von Besuchern haben in dem alten Fachwerkhaus die Abende verbracht, im Biergarten gesessen und Partys im Gewölbekeller gefeiert.

Das Restaurants Lezginka im ehemaligen Schifferhaus.
Das Restaurants Lezginka im ehemaligen Schifferhaus. © Funke Foto Services

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat die alte Fachwerk-Feierstätte hinterm Hauptbahnhof oft den Betreiber gewechselt. Das Schifferhaus gibt es seit 1961, seitdem war es Jazzkeller, Scotchclub, Dandybar, Disco oder Pizzeria – nicht alle hatten Glück am Standort. Zu besonderen Ehren aber waren die Räumlichkeiten gelangt, als Mülheim zu einer Jazz-Bastion wurde. Als die Lichter in der „Alten Lampe“ und bei „Müller-Flora“ ausgingen, waren es junge Musiker, die auf der Suche nach Spielmöglichkeiten Mülheims ersten Jazzkeller aus den 60ern, den Kohlenkeller des Schifferhauses, wieder als feste Adresse dingfest machten: Mitte 1989 war die Geburt des „Mülheimer Jazz-Club im Schifferhaus“.

Sehr beliebt war der ansässige Starclub bis Anfang der 2000er Jahre. Jedes Wochenende pilgerten Rock und Popfans in die Disco und machten die Nacht zum Tag. Besonders legendär war die jährlich stattfindende Party am ersten Weihnachtsfeiertag. Ende 2011 versuchte es an der Löhstraße/Ecke Kohlenstraße schließlich ein Duisburger mit der „Taverne zum Spießgesellen“, Mülheims erster Mittelalter-Schenke. Aber schon Anfang 2014 zog das Restaurant Lezginka ein, das Gerichte aus dem Kaukasus – der eurasischen Hochgebirgsregion zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer – auf der Karte führt.

Das Team will sich aber nicht auf das Kulinarische allein beschränken, sondern möchte seinen Gästen auch die Kultur der Region näher bringen. Samstags gibt es dazu beispielsweise Livemusik und Tanz, auch das gehört zu einem guten Essen, sagen die Betreiber. „Lezginka“ ist übrigens der Volkstanz, der im Kaukasus getanzt wird.

Der nächste Abend mit Dean Luthmann

Der nächste Abend mit Dean Luthmann im Lezginka, Löhstraße 76/ Ecke Kohlenstraße, steht bereits bevor: In der Veranstaltungsreihe „Drei Bier und ein Schaschlik mit Rock und Blues“ wird der Mülheimer Künstler am kommenden Freitag, 22. Juli, ab 19.30 Uhr Bob Dylan nachträglich zu seinem 75. Geburtstag gratulieren.

„A Hard Rain’s A Gonna Fall“ ist der Abend überschrieben, bei dem Dean Luthmann von Bob Dylan erzählt, singt und spielt. Dazu serviert das Lezginka kaukasischen Schaschlikteller. Eintritt inkl. Essen: 20 Euro. Reservierungen: T. 437 227 75, Mail: info@restaurant-lezginka.de.

Kontakt und Spielplan zum Theater „affabile“: 47 65 65, www.theater-affabile.de.