Mülheim. . Freifunker sammeln Kontakte zu abgelegenen Gebieten. Wir trafen den Mülheimer Amateur-Radioclub in der Saarn-Mendener-Ruhraue.
Im digitalen Zeitalter trennen einen Mülheimer und einen Brasilianer nur ein paar Klicks. Eigentlich. Denn auch wenn die halbe Welt in sozialen Netzwerken unterwegs ist: Man kommt selten einfach so ins Gespräch mit einem Fremden. „Bei uns ist das anders“, sagt Heike Beiderwieden von den Mülheimer Funkamateuren. „Wenn uns jemand aus Brasilien anfunkt, dann weiß ich: Der will jetzt mit uns reden.“
Aber heute hat der Amateur-Radioclub keine Zeit für ausschweifende Gespräche nach Rio de Janeiro. Der Verein hat die Sondergenehmigung von der Landschaftsbehörde erhalten, um auf dem Naturschutzgebiet der Saarn-Mendener-Ruhraue sein portables Kurzwellenfunkgerät aufzubauen. „Das ist das erste Mal, dass dieser Ort hier aktiviert wurde“, sagt Herbert Heintges vom Verein. Aktiviert heißt so viel wie: als Funk-Standort zur Verfügung gestellt.
Gebiet erstmals für Funker aktiviert
Freifunk-Kontakte in ein geschütztes Fauna-Flora-Habitat-Gebiet sind wahrlich etwas Besonderes in der Szene: Für eine bestimmte Anzahl an Kontakten in solch ein Gebiet gibt es eine Urkunde. Dem Mülheimer Verein geht es heute also weniger darum, selbst möglichst weite Ferngespräche zu führen, sondern er bietet Funkern aus der ganzen Welt die Chance, in ein vorher nicht aktiviertes Gelände zu funken. Andere Leute sammeln Panini-Sticker, Modellautos oder Schmuck – die Funkerszene sammelt Kontakte.
Und um ihren Kollegen interessante „Sammlerstücke“ zu bieten, zeigt sie sich erfinderisch. „Es gibt Leute, die für zehn Tage auf vereinsamte Inseln reisen oder auf große Berge steigen, nur um dort ihre Funkstation aufzubauen“, sagt Freifunker Heinz Sarrasch. „Zu denen möchte dann die ganze Welt Kontakt haben.“ Auf der Ruhraue sind es nach circa zwei Stunden rund 40 Funker, die die heutige einmalige Gelegenheit in Mülheim genutzt haben.
„Bei den Funkern ist die Sammelwut manchmal sehr obzessiv“
Früher hat der Mülheimer Club auch mal von der Saarner Kuppe gesendet, aber auch am Auberg oder am Schloß Broich haben die Amateure bereits ihr Lager aufgeschlagen – für Kontakte zu Schlössern und Burgen lässt sich auch eine Urkunde ergattern, gleiches gilt für Leuchttürme. „Demnächst möchte ich von einem Leuchtturm auf Vigo in Galicia funken”, erzählt Heike Beiderwieden. Auch hat Beiderwieden mit ihrer Funkstation bereits Leuchttürme auf Poel in der Ostsee, der italienischen Insel Tessera oder dem Pilsumer Ottoturm aktiviert. Funk-Abenteuer statt Wander- oder Badeurlaub.
„Bei den Funkern ist die Sammelwut manchmal sehr obzessiv“, fasst es Heinz Sarrasch zusammen. Um den Kontakt zu abgelegenen Orten früher als andere Funkjäger herzustellen, investiere manch einer sogar ein Vermögen in besondere Technik. Die Mülheimer lassen es entspannter angehen, ihnen geht es darum, mit selbst gebauten Kurzwellengeräten in die Welt zu senden. Darin liegt laut Heinz Sarrasch die Faszination. „Die Kommunikation ist hier ganz selbst gemacht, da steckt kein Provider zwischen wie beim Internet.“