Mülheim. Geschäftsführer Karl-Erivan W. Haub hält am traditionellen Standort Mülheim fest, ganz gleich, wie das Gezerre um die Supermarktkette ausgeht.
Die Wissollstraße in Speldorf wurde am Donnerstag von zahlreichen Medienvertretern angesteuert: In der Unternehmenszentrale der Tengelmann-Gruppe fand die Jahrespressekonferenz statt, bei der die Zahlen für 2015 vorgelegt wurden und erwartungsgemäß viele Fragen zum stockenden Verkauf der Supermarktkette Kaiser’s Tengelmann an Edeka im Raum standen.
Angesichts einer Steigerung des Nettoumsatzes um 4,5 Prozent auf insgesamt 8,24 Mrd. Euro wäre 2015 „ein sehr gutes Jahr gewesen“, erklärte Geschäftsführer Karl-Erivan W. Haub, „wenn es nicht durch den verzögerten Abgabeprozess getrübt worden wäre“. Seit der Vertragsunterzeichnung mit Edeka sind mittlerweile 21 Monate vergangen, „ich bedauere sehr“, so der Unternehmer, „dass meine Mitarbeiter nun zum zweiten Mal in die Sommerferien gehen müssen, ohne zu wissen, wie es wird“.
Während der Familienkonzern insgesamt sieben Prozent mehr Beschäftigte vermeldet als in 2014, hätten viele aus der Kaiser’s Tengelmann-Belegschaft das Unternehmen verlassen, berichtete Haub, ohne allerdings genaue Zahlen zu nennen. „Wir verlieren jeden Tag Mitarbeiter und Läden.“ Der Großteil der Führungskräfte sei aber noch an Bord und habe geholfen, den Geschäftsbetrieb „bestmöglich“ aufrecht zu erhalten.
Haub verspricht: "Die Zentrale bleibt auf jeden Fall hier in Mülheim"
Unabhängig davon, ob der Verkauf letztlich zustande kommt, versprach Haub: „Die Zentrale bleibt auf jeden Fall hier in Mülheim.“ Falls das Supermarktgeschäft ausläuft, fallen in Speldorf Hunderte von Arbeitsplätzen weg, Flächen werden frei, zu deren möglicher Nutzung sich der Tengelmann-Chef aber derzeit nicht äußern will.
Bekannt ist, dass seit längerem Gespräche mit der städtischen Wirtschaftsförderung laufen, mit Blick auf die Standortentwicklung rund um die Hochschule Ruhr West. Verfügbare Flächen, etwa für Ausgründungen, sind rar. Tengelmann ist einer von mehreren Eigentümern, die hier künftig weiterhelfen könnten. „Es wäre gut, wenn endlich Klarheit herrschte und man nach vorne schauen könnte“, sagte am Donnerstag auch Jürgen Schnitzmeier, Geschäftsführer von Mülheim & Business.
In Köln-Ehrenfeld hat die Tengelmann-Immobilientochter Trei Real Estate kürzlich mit dem Bau einer Studenten-Wohnanlage begonnen: 152 Appartements entstehen dort, und junge Leute hätten schon angefragt, so Haub, obwohl die Anlage noch gar nicht eröffnet sei. Ein ähnliches, kleineres Projekt war an der Wissollstraße geplant: Wo nach langem Zwist mit Mietern drei Häuser abgerissen worden waren, sollte ein Studentenwohnheim errichtet werden.
Danach sieht es momentan jedoch nicht mehr aus. „Wir haben die Planungen in Mülheim zurückgestellt“, erklärte Karl-Erivan W. Haub knapp.
Aufsichtsrat tagt im kurzen Takt
Am Dienstag fand in der Mülheimer Tengelmann-Zentrale eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung statt, und bereits für kommenden Mittwoch, den 13. Juli, hat Karl-Erivan W. Haub das Gremium erneut einbestellt. Der Geschäftsführer lässt sich von Verdi-Vertretern und Betriebsräten zeitnah berichten, wie die zwischenzeitlich unterbrochenen Tarifgespräche mit Edeka laufen.
Der Abschluss von Tarifverträgen gehört zu den Auflagen, an die Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel im März 2016 seine Übernahmeerlaubnis geknüpft hatte.
Haub drängt auf ein Ende des Verfahrens und erklärte im Rahmen der gestrigen Jahrespressekonferenz: „Es ist eine furchtbare Situation für einen Unternehmer, dass er nichts tun kann.“
Von Mülheim aus werden mittlerweile Tengelmann-Aktivitäten in 20 Ländern gesteuert. Zuletzt kam Spanien neu hinzu.
Jubiläumsjahr steht bevor - Tengelmann feiert 2017 seinen 150. Geburtstag
Eines ist zumindest so gut wie sicher: Das Familienunternehmen Tengelmann, 1867 in Mülheim an der Ruhr gegründet, kann im nächsten Jahr bereits seinen 150. Geburtstag feiern. Mit Karl-Erivan W. Haub als Geschäftsführendem und persönlich haftendem Gesellschafter hat längst die fünfte Generation das Ruder übernommen.
Seit immerhin auch schon 104 Jahren sitzt die Firma am heutigen Standort in Speldorf, wo 1912 eine Kakao- und Schokoladenfabrik ihre Produktion aufnahm. Trotz der momentan offenbar schwer auszuhaltenden Unsicherheit rund um die Übergabe von Kaiser’s Tengelmann an Edeka sei man „bestens gerüstet für das Jubiläumsjahr 2017“, erklärte Haub.
Wie man den runden Geburtstag hier in der Heimatstadt zu feiern gedenkt, dazu gibt es aber noch keine spruchreifen Planungen. Gewürdigt werden soll er wohl auf jeden Fall, denn schließlich blicke man, so Haub, „auf eine unheimlich wechselhafte Geschichte“ zurück. Das Familienunternehmen habe nicht nur zwei Weltkriege überstanden und zwei Weltwirtschaftskrisen, sondern auch einige „eigene Fehler“.
An all das werde man im kommenden Jahr „in gebührender Form, aber nicht exzessiv erinnern“. Was auch immer das heißt... Mit Details ist spätestens bei der nächsten Jahrespressekonferenz zu rechnen.