Mülheim. . Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub schließt ein Insolvenzverfahren nicht aus, um sich vom defizitären Supermarktgeschäft Kaiser’s Tengelmann trennen zu können.

Vor der mächtigen Mülheimer Unternehmenszentrale wünscht ein Plakat der deutschen Fußballnationalmannschaft viel Glück bei der EM. Konzernchef Karl-Erivan Haub kommt mit einer Deutschlandfahne in der Hand zur Bilanzpressekonferenz. Doch das Fußballfieber vermag die Anspannung in der Führungsetage von Tengelmann nicht zu kaschieren.

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Seit 21 Monaten versucht Haub inzwischen, sein hoch defizitäres Supermarktgeschäft an den Branchenprimus Edeka abzugeben. Allmählich verliert der Milliardär die Geduld. „Das darf keine unendliche Geschichte werden“, sagt er. Den 150. Geburtstag des Familienunternehmens im kommenden Jahr, unterstreicht Haub, werde er ohne die Kaiser’s Tengelmann-Supermärkte feiern. Sei es, dass sich Edeka und die Gewerkschaft Verdi alsbald auf Tarifverträge einigen, die die Fusionsauflagen von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel erfüllen. Oder sei es, dass Haub doch noch aus dem Verkaufsvertrag mit Edeka aussteigt und die Supermarktsparte mit ihren 431 Filialen, der Zentrale in Mülheim mit 400 Mitarbeitern, den Logistikzentren und Fleischwerken zerschlägt.

Aufsichtsratssitzung am 13. Juli

„Die Einzelverwertung wird jemand anderer für uns machen“, deutet der Tengelmann-Chef an und schließt auf Nachfrage ein Insolvenzverfahren nicht aus. An den Rivalen Rewe, betont er noch einmal, werde nicht verkauft: „Das ist ein unseriöses Angebot.“

Doch noch ist Haub optimistisch, dass er das Supermarktgeschäft mit den rund 16 000 Beschäftigten als Paket an Edeka abgeben kann, so wie er es sich von Anfang an wünschte. Für den 13. Juli hat er eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung einberufen lassen, weil er von seinen Betriebsräten und Verdi-Vertretern im Kreise der Kaiser’s Tengelmann-Aufseher das Signal erhalten habe, dass die Tarifverträge mit Edeka Ende Juli fertig sein könnten. Als Frist will Haub diesen Termin nicht verstanden wissen. „Ich will aber wissen, ob es voran geht oder nicht“, so der Unternehmer. Gleichwohl erhöht er damit den Druck auf Edeka und Verdi und macht kein Hehl daraus, dass er die Betriebsteile in NRW als Knackpunkt in den Tarifgesprächen sieht.

Knackpunkt ist die Region Nordrhein

„Es ging immer um die schwierige Region Nordrhein“, sagt Haub über die 129 Filialen an Rhein und Ruhr, die besonders rote Zahlen schreiben. Er verschweigt auch nicht die schwierige Zukunft der Mülheimer Supermarkt-Verwaltung. Haub: „Das neue Unternehmen braucht keine Zentrale. Die Fortführung macht keinen Sinn.“ Wirtschaftsminister Gabriel hat aber zur Bedingung gemacht, dass 98 Prozent der Arbeitsplätze bei Kaiser’s Tengelmann und der Betrieb als Ganzes erhalten bleiben müssen. Gelingt das nicht, könnte Gabriel seine Fusionserlaubnis zurückziehen.

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Die Unsicherheit über die Zukunft von Kaiser’s Tengelmann wird also weiter anhalten. Dabei geht es der Mülheimer Unternehmensgruppe Tengelmann mit Ausnahme des Supermarktgeschäfts glänzend. Mit der Baumarktkette Obi, dem Textildiscounter Kik, dem Haushaltswarenanbieter Tedi, E-Commerce, Immobilien und Beteiligungen steigerte der Familienkonzern im vergangenen Jahr das Nettoergebnis um zehn Prozent und erhöhte die Investitionen um 30 Prozent auf 390 Millionen Euro.

Unternehmensgruppe wuchs 2015

Trotz der Verluste im Supermarktgeschäft hat die Unternehmensgruppe Tengelmann das vergangene Jahr mit einem währungsbereinigten Umsatzplus von 4,5 Prozent auf mehr als 8,2 Milliarden Euro gesteigert. Gewinne weist das Familienunternehmen nicht aus. Die Zahl der Mitarbeiter wuchs um sieben Prozent auf rund 78 000.

Mit Obi, Kik und Tedi ist Tengelmann inzwischen in 20 Ländern vertreten. Die Mülheimer bauen ihr Immobiliengeschäft aus. In Köln ist eine Studentenwohnanlage im Bau, in Berlin Objekte für 600 Studierende in der Planung. „Man reißt uns die Apartments förmlich aus der Hand“, sagt Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub.