Mülheim. . Analyse zu Diskussionrunden für ein besseres Nahverkehrsnetz, für das die Mülheimer SPD ihre Ideen vorgestellt hat. Bürger wünschen schnelle Änderungen.
Unterschiedlicher hätten die drei Diskussionsabende über ein neues Nahverkehrsnetz für Mülheim nicht sein können. Carsten Trojahn und Daniel Mühlenfeld, die für die Sozialdemokraten Vorschlägen für neue Bus- und Straßenbahnlinien ausgearbeitet haben, erlebten heiß-kalte Wechselbäder. Rund 30, 80, 25 – das waren die Teilnehmerzahlen in den Stadtbezirken 1, 3 und 2. „Wir brauchen Pünktlichkeit ohne dauernde Fahrausfälle, verlässliche Anschlüsse und möglichst viele Direktverbindungen“, brachte es ein Teilnehmer am Dienstagabend in der Styrumer Feldmannstiftung auf den Punkt.
Davon sind MVG (Mülheimer Verkehrsgesellschaft), örtliche Verkehrsplaner und Politiker noch ein Stück entfernt. Seit Tagen fallen wieder Bahnen aus, weil Fahrer und Wagen fehlen. „So etwas darf nicht passieren“, sagten Teilnehmer der Diskussionen. Klar ist auch: Öffentlicher Personen-Nahverkehr wird immer ein Zuschussgeschäft bleiben.Wieviel ist er der Stadt wert?
Neue Linienkonzepte schneller Wirklichkeit machen
Zahlreiche Vorschläge konnten die Sozialdemokraten bei den Gesprächsrunden einsammeln. Besser nach Saarn keine Straßenbahn bauen und statt dieser die Dieselbusse später auf Elektroantrieb umrüsten, lautete ein Vorschlag. Ob diese Technik in 15 Jahren serienreif ist oder die Industrie lieber mit Altbewährtem fährt, bleibt abzuwarten.
Nutzer von Bussen und Bahnen wollen ihre Wünsche gleich nächste Woche erfüllt sehen. „Was nützt mir die Rückkehr der Linie 132 in einigen Jahren. Dann brauchen meine Kinder die Klostermarktschule nicht mehr“, erklärte eine Mintarder Mutter. Neue Linienkonzepte sollten schneller Wirklichkeit werden. Planer und Politiker müssen vom lahmen Tanker ins bewegliche Motorboot umsteigen, Entscheidungswege spürbar verkürzen.
Um Rechtssicherheit für alle Bürger zu wahren, geht das nicht mit Internetgeschwindigkeit und Paketrennservice – jetzt bestellen, morgen liefern. Auch Franzosen oder Polen brauchen ein bis zwei Jahre, um neue Straßenbahnstrecken zu planen. Aber danach ist Baustart – ohne neue Verzögerungsansprüche aus der Bürgerschaft.
Neuordnung des Busnetzes
„Wir wollen uns mit der Neuordnung des Busnetzes zuerst auf Mülheim konzentrieren“, erklärte Daniel Mühlenfeld bei den Bürgerrunden. Mit Blick auf die seit Jahrzehnten andauernde Blockade der Entscheidungsträger, eine Verkehrsgesellschaft für mehrere Städte ans Laufen zu bringen, scheint das konsequent. Mülheim liegt jedoch im Kern des westlichen Ruhrgebietes, hat seit mehr als 100 Jahren Gemeinschaftslinien mit allen Nachbarn. Die Kunden sind beweglicher geworden und erwarten Angebote über die Stadtgrenze hinaus. Die Bogestra zeigt, wie das abfährt.
Mülheim darf keine Insel der beharrenden Anlieger, Mitfahrer und Nahverkehrs-Chefs bleiben. Neue Vorschläge – auch wenn sie mit Investitionen und Baustellen verbunden sind – gleich im Ansatz zu versenken, ist nicht zukunftsorientiert. Gemeinsam Entscheidungen für bessere Verbindungen zu finden, muss das Ziel von Bürgern, Planern und Politikern sein.
Gute Ideen aus der Bürgerschaft
Viele Quartierbusse als Zubringer für die Straßenbahn. In polnischen Städten wie Allenstein (Olsztyn) – vergleichbar mit Mülheim – ist nach 50 Jahren kürzlich ein neues Straßenbahnnetz mit drei Linien in Betrieb gegangen. Viele Busse fahren dort nicht mehr ins Stadtzentrum oder zum Bahnhof, sondern die Touren enden jetzt an Knotenpunkten mit der Straßenbahn. Die meisten Allensteiner begrüßen das neue Liniensystem.
In Mülheim scheint es bis dahin ein langer Weg zu sein, weil Menschen sich ungern von Gewohnheiten trennen. Hätte die Stadt, wie geplant, vor 40 Jahren die Straßenbahn auf die Saarner Kuppe und ins Dorf gebaut, wäre sie mit Zubringerbussen akzeptiert. Immer noch fahren Busse direkt aus jedem Stadtteil in die City und zum Haupftbahnhof. Das sind viele, teure Parallellinien, was Gutachter mehrfach als einen Kostentreiber sehen. Versuche, da gegenzzusteuern, sind misslungen.
Es wird Einschitte geben müssen
Es wird Einschitte geben müssen. Ob Bürgerbusse, wie in Styrum, besser sind als Taxibusse, sollten Verkehrsplaner prüfen. Eine Straßenbahn mit Gleisen und Elektroanlagen kostet mehr als Busse. In dieser Rechnung fehlt: Busse zahlen keine Maut. Was den Straßenverschleiß angeht, entspricht eine Gelenkbusfahrt 60.000 Pkw-Fahrten. So rechnen Experten bei Straßen NRW. Stadtstraßenbauer gehen sogar von einem Faktor 1 zu 90. 000 aus. Die Reparaturkosten müssen mindestens zur Hälfte Anlieger mitzahlen. Bei der Luftverschmutzung schneiden Busse auch schlechter ab, heißt es beim Verkehrsclub Deutschland.
Mülheim möchte Vorreiter sein für ein gutes Stadtklima. Dazu gehört auch ein umweltfreundlicher Öffentlicher Personen-Nahverkehr. Die SPD hat gute Bürgervorschläge erhalten. Sie zu verwirklichen, wird trotzdem nicht allen gefallen.