Mülheim. Die ersten 600 Meter Holzlatten sind schon zersägt und 50 Stühle fertig. Die Produktion kann in zehn einfache Schritte unterteilt werden - also ideal für ein Beschäftigungsprojekt. Die Resonanz ist groß.
Die Maschinen auf dem „Betriebsgelände“ der WiM an der Solinger Straße stehen still. Die Sonne brennt, es ist Ramadan und wie sich herausstellt sind einige der Mitarbeiter zum Sprachkurs. Rabia Alkatlabe und Daouda Diarra stehen unter einer Markise und lasieren die zurechtgeschnittenen Holzlatten. Zwei Tage später drängen sich die Mitarbeiter an den Maschinen. „Vielleicht müssen wir doch eine Stechuhr einführen“, scherzt Reinhard Jehles. An der Verbindlichkeit der Einsatzpläne muss das Team von WiM Work noch arbeiten, ansonsten läuft alles reibungslos.
Fleiß und Entlohnung
Die ersten 600 Meter Holzlatten, die für 200 Stühle reichen und der Flüchtlingsinitiative von Hartmut Buhren zur Verfügung gestellt wurden, sind versägt, die ersten 50 Schwedenstühle fertig und sie sehen toll aus und sind auch bequem. Der 61-jährige WiM-Initiator ist begeistert, denn die Motivation und der Fleiß der Flüchtlinge ist hoch. „Ihnen fällt die Decke auf den Kopf, sie wollen arbeiten“, sagt er. „Eine so große Begeisterung habe ich noch nicht erlebt.“ Manchmal seien sie in ihrer Begeisterung kaum zu bremsen. Und sie beäugen sich gegenseitig eifersüchtig, wer für welchen Arbeitsschritt eingesetzt wird. So ein Schwedenstuhl scheint für ein solches Beschäftigungsprojekt wie gemacht: ziemlich viele Arbeitsschritte mit einem überschaubaren Schwierigkeitsgrad und ein praktisches wie attraktives Produkt zu einem überschaubaren Preis. Die Flüchtlinge arbeiten freilich nicht umsonst, sondern bekommen für 100 Stunden jeweils 1,05 Euro.
Überwältigend groß ist auch die Resonanz auf die erste Ankündigung der Produktion. Der Ringlokschuppen zeigte Interesse, die Regler-Produktion, aber auch Verantwortliche aus dem kirchlichen Bereich, Reiseveranstalter und Marketingabteilungen großer Unternehmen meldeten sich, forderten einen Prototyp an und stellten die Abnahme großer Stückzahlen in Aussicht. Mit dem von der Pia-Stiftung geführten Naturbad ist jetzt der erste größere Geschäftsabschluss fast perfekt. Reinhard Jehles ist aber auch zurückhaltend, denn er weiß, dass nicht aus jedem Interesse automatisch ein Kauf wird. Von einer Großspende nahm die WiM 6000 Euro, um Maschinen anzuschaffen: Kreissäge, Bohrmaschine und Schleifgerät, die alle im Rolltorbereich dicht beisammen aufgebaut sind.
„Wir haben viel gelacht“
Die Abläufe haben sich schnell gut eingespielt. An der Nähmaschine sitzt Sally Harba neben Iris Glotzbach, sie vernähen den Markisenstoff. Am Vorabend hat die 42-Jährige mit den anderen geübt, den Schneiderwinkel angesetzt, abgemessen, geschnitten, gesäumt und gekettelt. „Die Verständigung funktioniert gut, mir fehlen nur die englischen Fachbegriffe“, erzählt sie, die aus Syrien kommenden Frauen würden sie aber auch nicht verstehen. „Wir haben viel gelacht und nach der Nachtschicht bei mir zu Hause gegrillt.“ Ebenso vom Fach wie Glotzbach ist auch Stefan Lamberty. Gerade legt er das Regler-Logo auf den Markisenstoff und drückt die Presse zusammen: 20 Sekunden bei 160 Grad.
Draußen wird der Stoff dann auf den Holzrahmen getackert. Als Handwerker weiß Jehles, dass der Vorrichtungsbau wichtig ist, damit bei allen Stühlen die Löcher auch an der richtigen Stelle sitzen und so werden die Hölzer jeweils in einen Rahmen zum Vorbohren gespannt. Zum Gruppenfoto mit einer bunten Stuhlreihe auf der Wiese fehlt noch Walat Usi. Er tackert noch schnell den Stoff mit dem WiM-Logo auf den Stuhl. „Das darf nicht fehlen“, findet der Syrer, der strahlend und im Laufschritt der Gruppe gefolgt war. „Er ist unser Leistungsträger“, sagt Jehles. Inzwischen hat er ihn zum Vorarbeiter gemacht und ihm Verantwortung übertragen. Lange wird er wohl nicht bleiben, denkt Jehles, der das aus seiner Arbeit in einer Behindertenwerkstatt kennt. Für den Erfolg braucht man die Leistungsstarken, die aber auch so einen Job finden können. Usi, der seit eineinhalb Jahren in Deutschland lebt, verfügt schon über gute Sprachkenntnisse und hat bereits einen Monat bei einer Baufirma gearbeitet.
Wenn sich das Geschäft wie erwartet dynamisch entwickelt, kann die Produktion auch direkt auf den Kirmesplatz umziehen, so habe er es mit dem Partner vom DRK abgesprochen. Aber ein Problem ist noch ungelöst: wie viel kostet denn ein solcher Stuhl,? Das wollen zunehmend mehr Menschen wissen. So zwischen 15 und 20 Euro. Aber sie werden sich noch gedulden müssen. Bevor ein Stuhl verkauft wird, muss steuerrechtlich und juristisch geklärt werden, in welcher Rechtsform WiM am sinnvollsten geschäftlich tätig werden kann.
Steigender Beliebtheit erfreut sich auch die mobile Begegnungsstätte der WiM sonntags von 14 bis 17 Uhr in Kooperation mit dem Verein „Eltern werden - Eltern sein“ am Europa-Pavillon in der Müga. In 20er Schritten stieg die Beteiligung von Mal zu Mal. Nur Ramadan und schlechtes Wetter verhagelten am vergangenen Wochenende die Bilanz, die aber besser als befürchtet ausfiel. Geboten werden hier selbstgemachte Waffeln und von Hemmerle gespendeter Kuchen sowie arabische Gesellschaftsspiele.
Musik spielt auch eine Rolle und wieder mal ist es für Reinhard Jehles verblüffend, welche Rolle die richtigen Rhythmen spielen. Kaum erklingt arabische Musik, beginnen die Syrer zu tanzen und es dauert nicht lange und die anderen machen auch mit: Es bildet sich ein Halbkreis. Immer wieder werden auch Spaziergänger angelockt, die sich dann dort stärken.
Am 3. Juli feiert die WiM in der Müga ein Kinderfest. „Über Facebook bekommen wir immer neue Angebote. Was würden wir nur ohne Facebook machen?“, so Jehles.