Mülheim. . 944 Menschen aus Syrien kamen 2015 Jahr nach Mülheim. Die Migration aus EU-Ländern hat weniger Gewicht. Eine aktuelle Ausländerstatistik.
Insbesondere durch die großen Fluchtbewegungen ist die Zahl der ausländischen Menschen, die in Mülheim wohnen, im vergangenen Jahr um 12,4 Prozent gestiegen (2694 Personen). Laut der Landesstatistikbehörde lebten zum Jahreswechsel 24 362 Ausländer in Mülheim, das entspricht einer Ausländerquote von 13,5 Prozent. Mit dem Zuwachs liegt Mülheim über dem NRW-Trend (plus 9,5 Prozent), der Ausländeranteil in der Stadt bleibt aber kleiner als in den Nachbarstädten Duisburg (19 Prozent) und Essen (15 Prozent). Oberhausen ist auf etwa gleichem Niveau wie Mülheim.
In den ersten drei Monaten dieses Jahres ist die Zahl der hier gemeldeten Ausländer laut dem Leiter des Ausländeramtes, Udo Brost, geschrumpft. Im Saldo leben in Mülheim heute rund 180 Ausländer weniger als noch am 31. Dezember 2015. Vor allem kehrten Menschen vom Balkan in ihre Heimatländer zurück, so Brost.
Mit Abstand ist es Syrien, danach kommt lange nichts: Die unlängst vom Land veröffentlichte Ausländerstatistik weist für Mülheim einen Zuzug von 944 Syrern auf. Aus dem Irak kamen 287 Menschen in die Ruhrstadt, aus Afghanistan 112 Menschen. Diese Zeitung nahm mit Udo Brost, dem Leiter des hiesigen Ausländeramtes, eine Analyse der Daten vor.
Instabile Lage in Nahost war Hauptursache
Die instabile Lage im Nahen Osten war im vergangenen Jahr der alles bestimmende Faktor der Zuwanderung auch in Mülheim. Mit weitem Abstand kamen am meisten Menschen aus Syrien in die Ruhrstadt. „Aktuell macht sich der verstärkte Familiennachzug bemerkbar“, beobachtet Brost. Lediglich zwei in Mülheim untergebrachte Syrer genießen nur den sogenannten subsidiären Schutz in Deutschland, bei dem der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt ist. So ist zu erwarten, dass viele der allein geflüchteten syrischen Männer ihre Familien so schnell wie möglich nach Mülheim nachholen. Brost rechnet hier mit einem Faktor von 3,5 – heißt: Aus knapp 300 alleinreisenden Syrern, die schon in der Stadt leben, könnten bis zu 1050 werden. Der Familiennachzug wird die Stadtverwaltung auch in der Organisation der Unterbringung beschäftigen. Denn Familien sollen natürlich zusammen wohnen können.
Aus dem Irak kamen im vergangenen Jahr am zweitmeisten Flüchtlinge. Für Iraker christlichen Glaubens hat Mülheim laut Brost eine Sogkraft entwickelt, seit die Stadt vor einigen Jahren 110 Iraker aufgenommen hat, die in Essen, wo es eine starke christliche Gemeinschaft der Iraker gibt, nicht mehr untergebracht werden konnten. Solch eine starke Sogkraft hat Mülheim, anders als Essen, bei libanesischen Flüchtlingen nicht. Aus dem Libanon kamen im Vorjahr nur 20 Menschen in die Ruhrstadt. Da war der Zuwachs aus dem Iran größer (40).
Bei der Zuwanderung aus Staaten der EU hat es den größten Zuzug bei Rumänen und Bulgaren gegeben (siehe Tabelle). Von Duisburger oder Dortmunder Verhältnissen, wo der Zustrom von Tausenden Südosteuropäern nicht nur von Kriminalisten äußerst kritisch beobachtet wird, so Brost, könne bei insgesamt knapp 800 Bulgaren und Rumänen aber nicht die Rede sein. Da befinde sich Mülheim „im Dornröschenschlaf“. Bemerkenswert aber doch eine Beobachtung von Brost: Geschätzt mehr als 80 Prozent der über 400 in Mülheim lebenden Bulgaren stamme aus ein und derselben Stadt: Pazardzhik. Dort scheint Mülheim bei Emigrationswilligen mindestens eine der ersten Adressen zu sein. In Mülheim haben sich viele der Bulgaren rund um die Eppinghofer Straße niedergelassen.
Auch Zuzüge aus bestimmten EU-Ländern
Aus EU-Krisenstaaten zog es ebenfalls Menschen nach Mülheim: aus Italien (60 Neubürger), aus Griechenland (30), aus Spanien (17). Die hohe Arbeitslosigkeit und die Wirtschaftskrisen dort sind wohl wesentliche Ursachen. Auch leben 60 Kroaten mehr seit 2015 in der Stadt. „Die genießen, seit sie im Juli 2013 Mitglied der EU geworden sind, ihre Freizügigkeit“, so die Erklärung von Brost. 675 Kroaten leben nun in der Stadt. Die polnische Nationalität, neben der türkischen ohnehin die zweitstärkste in der Stadt, ist nun auch 52-mal mehr vertreten.
Auch aus Afrika gab es 2015 Bewegung Richtung Mülheim. Die ohnehin stärker vertretenen Nationalitäten aus Ghana (56 Menschen mehr/jetzt 487), Nigeria (56/306) und Marokko (21/392) erhielten Zuwachs. Insbesondere Ghanaer begründeten dies laut Brost mit einer Familienzusammenführung.
Die Ausländerstatistik gibt auch Aufschlüsse über Phänomene fernab von Asylgesuch und Arbeitsmigration. Groß ist etwa die Gruppe der Chinesen in Mülheim. Sie wuchs im vergangenen Jahr noch einmal um 71 auf 891 Personen an. Udo Brost hat eine Erklärung: „Von 1237 ausländischen –Studenten, die in der Stadt wohnen, kommen 628 aus China.“ Für die 237 Inder in Mülheim (44 Zuzüge in 2015) gilt ebenso: 137 von ihnen sind als Studenten eingeschrieben.
Leiter der Mülheimer Ausländerbehörde erwartet weiteren Zustrom
Auch wenn die Stadt im ersten Quartal gar eine rückläufige Zahl an Ausländern registriert: Udo Brost als Leiter der Ausländerbehörde rechnet auch für 2016 noch mit einer beträchtlichen Zahl von Neuankömmlingen.
„Es sind noch sehr viele Flüchtlinge unterwegs, die werden nicht mehr zurückgehen“, so die persönliche Einschätzung des Amtsleiters. Vielleicht nähmen die Flüchtlinge schon bald den Weg über Albanien und Italien. „Im Moment haben wir eine Verschnaufpause“, sagt er, „die Ruhe vor dem Sturm“, bis sich neue Lücken in der Abschottung Europas auftäten, andere Routen beschritten würden und es wärmer werde. Darüber hinaus glaubt Brost, dass etliche Flüchtlinge nun in Griechenland Asyl beantragen werden, um nicht in die Türkei abgeschoben zu werden. Wenn Griechenland dies überfordere, werde wohl ein Großteil ins nördliche Europa „durchrutschen“.
Der Zustrom aus den Balkanländern indes ist laut Brost abgeebbt, mehr noch: Viele gingen aktuell zurück in ihre Heimat, beobachtet er und erklärt sich dies mit der enttäuschten Erwartung der Menschen, in Deutschland in kurzer Zeit eine eigene Wohnung und Arbeit zu bekommen.