Mülheim. . Max Reger kommt an, wenn er so begeisternd gespielt wird wie jetzt beim Klavierfestival Ruhr in der Stadthalle. Zuvor Diskussionsrunde.

Guido von Arezzo, gewissermaßen der Erzvater der Musikwissenschaft, war schon vor 1000 Jahren der Meinung, zum menschenwürdigen Musizieren gehöre auch das Nachdenken darüber, und so fühlten sich die Kritiker ermuntert, sich in das kulturelle Geschehen einzumischen, trotz Goethes „...schlagt ihn tot, er ist ein Rezensent.“ Das führte unter anderem zur Gründung des Vereins „Preis der Deutschen Schallplattenkritik“, der seit 2010 in zahlreichen öffentlichen Diskussionen eines in seiner Besetzung wechselnden „Quartetts der Kritiker“ musikalische Bewusstseinsarbeit vorantreibt im Gegensatz zum kommerziell orientierten Public- Relations-Betrieb.

In Mülheim waren es am Dienstag beim Klavierfestival Ruhr die aus Presse und Rundfunk bekannten Eleonore Büning, Wolfram Goertz, Wolfgang Schreiber und Christoph Vratz, die sich das Klavierwerk Max Regers zum Thema gestellt hatten. Ausgehend von der Feststellung, dass Regers Werke trotz seiner Bekanntheit relativ selten aufgeführt würden, drehte sich das Gespräch um folgende Punkte: Regers Verhältnis zu Bach, der für ihn „Anfang und Ende aller Musik“ war, und in diesem Zusammenhang die Bedeutung seiner Bearbeitungen Bach`scher Werke, deren Stil er nicht zu kopieren, sondern weiterzuführen gedachte, was auch die Übernahme spätromantischer Ausdruckselemente beinhaltete. Zur Diskussion stand ebenfalls seine Konzentration auf kleinere Formen, die kontrovers beurteilt wurde: Als „Verzettelung“ oder als Konzentration auf die Hausmusik, die auch dem Einzelnen die Möglichkeit musikalischer Betätigung eröffne.

Schwieriger Spagat

All die klugen Kriterien, die in der Diskussionsrunde angesprochen wurden, konnten dem Zuhörer als Wegweiser bei der Rezeption des folgenden Konzerts dienen. Igor Levit, in Mülheim in bester Erinnerung durch seine eindringliche Interpretation der letzten Beethoven-Sonaten, und sein Partner Markus Becker, der durch die pianistische Großtat einer Aufnahme aller Klavierwerke Regers von sich reden machte, präsentierten an zwei Klavieren Regers Beethoven- und Mozart-Variationen und seine Introduction, Passacaglia und Fuge h-moll. Der schwierige Spagat zwischen alter Form und „moderner“ Harmonik erfordert wegen letzterer äußerste Sensibilität und Differenzierung . Das bekannteste Werk, die Mozart-Variationen, geriet überraschend romantisch, was aber durch die von Mozart abweichende Reger´sche Phrasierung des Themas suggeriert wird.

Die klangliche Differenzierung war so farbig, dass man an das Klangspektrum eines ganzen Orchesters erinnert werden konnte – einschließlich des für Reger typischen Klangrausches am Ende der Fugen. Dabei blieb das Stimmengewebe trotz der horrenden Schwierigkeiten immer durchsichtig. Jubel und Bravo-Rufe zeigten: Reger kommt natürlich an, wenn er so begeisternd gespielt wird.

Nächstes Konzert mit Elisabeth Leonskaja

Das nächste Mülheimer Konzert beim Klavierfestival Ruhr findet am Montag, 27. Juni, um 20 Uhr in der Stadthalle statt.

Es tritt Elisabeth Leonskaja auf, die bereits vor Jahren mit dem Preis des Klavier-Festivals für ihr Lebenswerk geehrt wurde. In dieser Saison feiert sie ihren 70. Geburtstag.