Mülheim-Broich. In der Flüchtlingsunterkunft an der Holzstraße bietet der Dümptener Turnverein ehrenamtlich ein Kinderturnen an. Spracherwerb geschieht dabei nebenbei.

Zwölf kleine Füße huschen über den Boden, lilafarbene, pinke, grüne Socken wuseln wild durcheinander. Dann hüpfen sie auf die Turnmatte und von dort aus auf die Bank. Untermalt wird das Ganze von Gegibbel und Gejohle.

Löst sich der Blick aber von dem fröhlichen Durcheinander, fällt er auf Kunststoffboden, Metallwände und eine Plane als Dach. Wir sind beim Kinderturnen in der Flüchtlingsunterkunft an der Holzstraße. Nadja, Sarah, Mustafa und die anderen stammen aus Syrien, Iran oder Nordafrika. Für sie bietet der Dümptener Turnverein seit März einmal in der Woche anderthalb Stunden Spaß an – Bewegung, angelehnt ans Kinderturnen. „Ich mache das seit 20 Jahren auch mit deutschen Kindern“, erzählt Sabine Schacht, die Übungsleiterin.

Kinder sind Kinder – überall auf der Welt, könnte man meinen. Übungsleiterin Silke Schacht aber registriert durchaus Verhaltensweisen, die erkennen lassen, dass diese Kinder alles andere als behütet gelebt haben. „Ein Junge kann es gar nicht haben, wenn es zu eng wird“, erzählt Silke Schacht. Wild seien die Kinder, sie müsse das Gewusel auch schon mal sortieren, sagt sie und: „Das Anstellen üben wir noch“. Aber: „Man bekommt auch viel zurück.“ Und merkt: Die Kinder lernen schnell. Bei einer Übung hält Silke Schacht ein Kärtchen hoch, auf dem ein rotes, rundes Obst abgebildet ist. Was ist das?, fragt sie in die Runde. Die ruft: „Apfel!“ und zwölf Kinderfüße rennen los, um sich vor das entsprechende Gegenstück zu der Apfelkarte an der Wand zu stellen. Die Übungsleiterin behilft sich mitunter auch mit Englisch und Französisch, um sich verständlich zu machen. „Ich habe auch ein paar Worte Arabisch gelernt“, erzählt sie. Sarah, 14 Jahre aus Syrien, hat ihrerseits schon gut Deutsch gelernt und sagt beim Bewegungsspiel: „Ich auch ein Fisch.“

Sport bietet ein Stück weit Normalität

„Mustergültig“, nennt Sozialdezernent Ulrich Ernst das ehrenamtliche Engagement des Dümptener Turnvereins (DTV), der sich mit dem Kinderprojekt jetzt auch in Broich engagiert. Sport biete ein Stück weit Normalität, lasse die geflüchteten Menschen teilhaben am ganz normalen Alltag, so Ernst.

Seit März vergangenen Jahres bietet der DTV auf der Sportanlage am Schildberg wöchentlich Fußballspielen für Flüchtlinge an – mittlerweile sind 43 Spieler aus neun Nationen dabei, zudem 15 Flüchtlingskinder in den verschiedenen Jugendmannschaften. Außerdem engagiert sich der DTV an der Flüchtlingsunterkunft Wenderfeld. Alle Sportangebote stehen den Flüchtlingen offen, erklärt DTV-Geschäftsführerin Alexandra Schreiber und sagt: „Wir in Dümpten machen seit Jahren Integration durch Sport.“ Das gelinge spielend, schließlich kenne gerade Fußball jeder, sagt Schreiber. In dem Raum an der Holzstraße, wo Sarah, Nadja, Mustafa und die anderen von Silke Schacht betreut werden, gibt es außer Fußball nicht viel, was den Kindern aus ihrer Heimat bekannt vorkommen dürfte, hat die Übungsleiterin festgestellt. Gemeinsam Singen schien neu für sie, jetzt aber trällern sie die lustigen Kinderlieder auf Deutsch schon ziemlich textsicher mit. Was aber – neben Fußball natürlich – überall auf der Welt funktioniert, sind Süßigkeiten. Zum Abschied darf sich jedes Kind aus der Dose von Silke Schacht zwei Stücke Schokolade nehmen. Mustafa greift strahlend zu und sagt: „Bis nächste Woche.“