Mülheim. Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes, über Integration, Dopingskandale und hinderliche Lärmschutzverordnungen

Mit Alfons Hörmann hatte der Förderkreis des Mülheimer Sports den höchsten Sportfunktionär Deutschlands am Freitagabend zu Gast. Am Rande der Veranstaltung stellte sich der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes den Fragen dieser Zeitung.

Herr Hörmann, haben Sie heute schon Sport gemacht?

Alfons Hörmann: Heute bin ich nicht dazu gekommen. Ich war heute morgen beim Festakt zum zehnjährigen Bestehen des Deutschen Olympischen Sportbundes in der Frankfurter Paulskirche und habe mich danach auf den Weg nach Mülheim gemacht.

Und sonst?

Hörmann: Wann immer möglich, treibe ich Sport. Wandern, Rad fahren ...

Angesichts von 90.000 Sportvereinen mit 27 Millionen Mitgliedern – sind wir eine Sportnation?

Hörmann: Eindeutig ja, die Zahlen sind auf der Welt einzigartig. Allerdings stellen auch wir fest, dass die Menschen sich nicht mehr in dem Maße binden wollen wie früher. Aber vom Babyschwimmen bis zum Seniorensport sind wir in jeder Lebensphase vertreten.

Wir fragen uns in diesen Monaten oft: Was hält die Gesellschaft zusammen? Kann es der Sport?

Hörmann: Ich glaube ja, er vereint die Gesellschaft, auch wenn wir Tendenzen zur Individualisierung feststellen müssen. Aber Sport hat den großen Vorteil, dass er Gemeinsamkeiten betont und es ihm gelingt, soziale Unterschiede auszugleichen. Im Sport fragt keiner: Woher kommst Du, sondern wohin willst Du?

Angesichts der Flüchtlingskrise bauen in Politik und Gesellschaft viele Menschen auf den Sport als Integrationskraft.

Hörmann: Unsere Vereine haben seit 25 Jahren Erfahrungen auf diesem Gebiet. Viele Flüchtlinge stehen auf einem Sportplatz, bevor sie eine Schule oder einen Sprachkurs besuchen. Dass die Regierung uns nun Mittel von zehn Millionen für die Integrationsarbeit zur Verfügung stellt, einen Betrag, den sie verdoppelt hat, zeigt ja auch, dass den Vereinen hier vertraut wird.

Ist Sport noch ein Friedensstifter?

Hörmann: Ich bin fest davon überzeugt, dass der Sport nach wie vor ein großer Brückenbauer ist. Wer vereint denn sonst noch wie bei Olympischen Spielen 206 Nationen friedlich? In Vereinen kommen oft auf engstem Raum Menschen aus 20, 30 Nationen gut miteinander aus.

Wir erleben den Sport in letzter Zeit aber leider auch verstärkt als einen Ort der Skandale. Bestechungen, Korruption, Dopingfälle machen weltweit Schlagzeilen. Wie sehr beunruhigt Sie das?

Hörmann: Die jüngsten Schlagzeilen sind frustrierend. Ich empfinde sie als Schlag in den Magen. Wir werden und müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln diese Vorgänge angehen. Es wird zur Bekämpfung von Dopingvergehen bereits unglaublich viel getan. Viele in der Öffentlichkeit machen sich keinen Begriff, in welchen Dimensionen bereits daran gearbeitet wird. Wir werden noch professioneller vorgehen müssen. Es wird ein Wettlauf gegen kriminelle Machenschaften bleiben. Ich sehe Ähnlichkeiten in der Wirtschaft.

Eine Befragung in Mülheim hat jüngst gezeigt, dass weniger Wettkampfgedanken beim Sport dominieren, sondern gesundheitliche Aspekte. Werden Sie dem gerecht?

Hörmann: Wir haben dafür gekämpft, das Sport ins Präventionsgesetz aufgenommen wird. Wir versuchen in den Vereinen immer auch, durch den Sport einen gesunden Lebensstil zu fördern.

Wären Sie für die tägliche Sportstunde an Schulen?

Hörmann: Natürlich. Auch weil es längst erwiesen ist, dass Bewegung die geistigen Fähigkeiten steigert. Wer Sport macht, lernt besser. Ich weiß aber auch, dass an vielen Schulen gerade der Sportunterricht zu den Schwachstellen gehört.

Ein Problem für viele Vereine sind Klagen aus der Nachbarschaft: zu laut! Ein Dilemma?

Hörmann: Die Sportanlagen-Lärmschutzverordnung bereitet mir Sorgen. Sie steht derzeit in der politischen Entscheidungsphase. Es kann nicht angehen, dass morgens auf einem Sportplatz, wenn Schulen dort sind, andere Lärmregeln gelten sollen als am Nachmittag, wenn Vereine mit denselben Kindern dort sind. Lachen, rufen, jubeln das alles ist Ausdruck von Lebensfreude und gehört zum Sport dazu.