Mülheim. Wer droht, in die Schuldenspirale abzugleiten, sollte sich rasch Hilfe holen. Bei der Awo wurden 2015 Verbindlichkeiten von 4,8 Mio Euro reguliert.
Verzweifelte Menschen mit Tüten voll ungeöffneter Briefe: Regelmäßig stehen sie bei Carsten Welp, Leiter der Schulden- und Insolvenzberatungsstelle, und seinem Team vor der Tür. Bis vor einem Monat hatte die Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) ihren Sitz an der Bahnstraße; 2015 wurden dort insgesamt 1271 Personen beraten. Nun müssen Hilfesuchende ein neues, größeres Büro ansteuern. Welp und die Kollegen sind umgezogen an die Friedrich-Ebert-Straße Nummer 4.
Schulden in einem Gesamtvolumen von rund 4,8 Millionen Euro wurden im vergangenen Jahr mit Hilfe der Awo reguliert. Eine beachtliche Zahl, die dennoch eine Nachfrage provoziert: Warum waren es 2014 noch Verbindlichkeiten in Höhe von 7,5 Millionen Euro, die beglichen wurden? „Die Fallzahlen bei den Verbraucherinsolvenzen sind rückläufig“, erklärt Gruppenleiter Welp. Es seien deutlich weniger Insolvenzanträge bearbeitet worden als im Vorjahr (78 in 2015 gegenüber 131 in 2014), „eine Entwicklung, die den Bundestrend widerspiegelt“. Durch die privaten Insolvenzverfahren wurden nun nur noch Rückstände von 3,5 Millionen Euro in Angriff genommen – 2014 waren es noch 6 Millionen Euro.
Durch Vergleichsverhandlungen konnten Forderungen stark reduziert werden
Das Schuldenvolumen, das jenseits der Insolvenzverfahren reguliert wurde oder noch wird, lag im Vorjahr bei 1,34 Million Euro. 35 Prozent der Verschuldungssumme wurde zurückgezahlt (2014 waren es 33 Prozent). „Durch unsere Vergleichsverhandlungen konnten die Forderungen von etwa 870 .00 Euro auf 472.000 Euro reduziert werden“, berichtet Carsten Welp.
Arbeitslosigkeit ist nach wie vor die Hauptursache für die Verschuldung, aber auch für Geringverdiener reiche das Geld häufig nicht, da jede außerplanmäßige Ausgabe zu einer finanziellen Krise führen könne. Rund 40 Prozent der Kunden seien Empfänger von Arbeitslosengeld II. „Auch eine Sucht- oder eine Trennungsproblematik, schlimmstenfalls sogar beides zusammen“, seien Auslöser für die unheilvolle Spirale. Oder Spielsucht: Einer seiner Kunden habe in drei Monaten 80.000 Euro im Casino verzockt.
Zehn Prozent der Verschuldeten sind unter 25 Jahre alt
Zehn Prozent der Verschuldeten sind unter 25 Jahre alt; für sie ist in vielen Fällen das Internet die erste Falle: Online-Dating, Spiele am PC, Bestellungen – all das kostet. Welp appelliert dafür, sich frühzeitig bei der Schulden- und Insolvenzberatungsstelle zu melden. Sobald die erste Miete, der erste Stromabschlag nicht bezahlt werden könne, sei es sinnvoll vorbeizuschauen, damit Soforthilfen eingestielt werden könnten. Und es sei definitiv auch wichtig, rasch mit dem Vermieter zu sprechen; „nur Menschen, die sprechen, kann geholfen werden“.
Einen Termin bekommen Hilfesuchende in maximal zwei bis drei Wochen, verspricht Welp. „In anderen Städten wartet man manchmal ein halbes Jahr.“ Briefe nicht zu öffnen sei in der schwierigen Situation, in der sich viele Schuldner befänden, übrigens ein gängiges Verhalten: „Solange ich die Zahlen nicht schwarz auf weiß sehe, so lange bedrücken sie mich auch nicht.“