Mülheim. . Wie groß ist die Politikverdrossenheit? Darüber diskutierten jetzt junge und alte Sozialdemokraten.
Das hat man selten. Jugendliche und Senioren unterhalten sich zwei Stunden lang über Politik und das sehr ernsthaft. Die Veranstaltung, zu der Jungsozialisten und SPD-Senioren in den Bürgergarten eingeladen hatten, hätte zweifellos mehr als 80 Teilnehmer verdient
Ausgerechnet der junge Sozialdemokrat Filip Fischer (19) und der alte Sozialdemokrat Wilfried Kamps (75) waren sich in der Bewertung der vom Landesjugendamtsmitarbeiter Dieter Göbel vorgetragenen Shell-Jugendstudie einig: „Als Mitte-Links-Partei müssen wir mehr für die Jugendlichen tun, die nicht optimistisch in ihre Zukunft blicken und so unseren politischen Markenkern der sozialen Gerechtigkeit stärken.“
Ist die Jugend heute politikverdrossen? Der junge Politikwissenschaftler Toralf Stark von der Universität Duisburg-Essen sagt: „Es gibt keine jugendliche Politikverdrossenheit, sondern nur eine Politiker- und Parteienverdrossenheit.“ Zeitungsredakteur Frank Meßing sieht Politik und Medien angesichts der individuellen Informationskultur der Jugendlichen vor vergleichbaren Herausforderungen: „Wir erreichen Jugendliche, die sich im Internet und bei Facebook tummeln heute kaum noch über traditionelle Kanäle. Denn Jugendliche lesen morgens nicht mehr automatisch die Tagezeitung und schauen abends die Tagesschau“, stellt er mit Blick auf die politische Kommunikation fest. „Im Internet sind wir schon ganz gut aufgestellt, aber beim Thema Facebook muss sich noch einiges tun“, kommentiert Juso und Jugendstadtrat Fischer das digitale Informationsangebot seiner Partei.
Bürgerforen
„Wir müssen uns alle im Alltag als Botschafter der Sozialdemokratie verstehen und unsere Partei zu einer Dialogplattform für interessierte Bürger machen“, fordert der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare. Er weist auf die positiven Erfahrungen hin, die die SPD mit ihren Bürgerforen zur Aufstellung des sozialdemokratischen Mülheim-Plans gemacht habe.
„Wir haben heute eine hervorragend qualifizierte und lebenstüchtige Jugend, aber die politische Bildung kommt im breiten Fächerangebot der Schule zu kurz“, beschreibt die aus der mittleren Generation kommende Sozialdemokratin Maria Andronikidou einen Zustand, der ihrer Ansicht nach das politisch aktive Potenzial der Jugendlichen nicht voll zur Geltung kommen lässt.
„Jugendliche wollen sich heute nicht mehr langfristig binden. Sie sind aber sehr wohl bereit, sich zeitlich begrenzt für konkrete Projekte wie etwa in der Flüchtlingshilfe oder bei einer Online-Petition politisch zu engagieren“, beschreibt Politikwissenschaftler Stark den grundsätzlichen Trend im politischen Engagement der jungen Generation. Dabei macht er deutlich, dass es vor allem die Jugendlichen aus wohlhabenden Elternhäusern sind, „die die zeitlichen und finanziellen Ressourcen für politisches Engagement mitbringen.“