Mülheim. . Die Stadt Mülheim will in der Flüchtlingspolitik Maßstäbe setzen und eine eigene Erstaufnahmeeinrichtung schaffen, wo frühzeitig auf Integration gesetzt wird.

Ihr U25-Haus, das landesweit beachtete Erfolgsmodell bei der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit, ist der Stadt Ansporn genug, auch bei der Integration von Flüchtlingen mutig Neuland zu betreten: Im Saarner Flüchtlingsdorf an der Mintarder Straße wird alsbald schon eine zentrale Erstaufnahme entstehen, in der mit dem Tag der Ankunft von Flüchtlingen die Weichen für deren Integration in Mülheim gestellt werden sollen.

Entsprechende Pläne stellten am Montagabend Sozialamtsleiter Klaus Konietzka und Dezernent Ulrich Ernst im Sozialausschuss vor. Schon im Mai will die Stadt durchstarten: Busse mit neu ankommenden Flüchtlingen sollen dann nicht mehr das Sozialamt an der Ruhrstraße ansteuern, sondern direkt den Kirmesplatz, wo die Stadt sämtliche Integrations- und notwendigen behördlichen Leistungen bündeln will – von der Erfassung der biometrischen Daten, den Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, der Vermittlung von Gesundheitsdiensten, von Kita- und Schulplätzen, Wohnungen und Freizeitangeboten. . .

Fokus auf berufliche Integration

Ein besonderer Fokus soll auch schon auf die spätere berufliche Integration gerichtet sein. Aktuell, so Konietzka, wisse die Sozialagentur nahezu nichts darüber, welche Qualifikationen die Flüchtlinge mitbrächten, so sei schwerlich eine arbeitsmarktpolitische Strategie zu entwickeln. Abwarten, bis die Flüchtlinge mit Bleibeperspektive nach dem Wechsel vom Asylbewerberleistungsgesetz zum SGB II bei der Agentur auf der Matte stehen, will die Stadt nicht.

Hunderte Leistungsbezieher werden absehbar auf sie zukommen, gerechnet wird mit 85 Prozent der Flüchtlinge. Die Sozialagentur will gewappnet sein, frühzeitig Qualifikationsprofile ihrer künftigen Klienten erfassen, kommunal finanzierte Sprachkurse anbieten. „Wir sind gut beraten, wenn wir früh einsteigen in die Integration und nicht abwarten, bis mal irgendwann irgendwer Maßnahmen zur Integration zur Verfügung stellt“, sagt Konietzka.

Dezernent Ernst wies die Politik darauf hin, dass dies die Stadt natürlich auch Geld kosten werde. „Wir reden aber über eine Grundsatzentscheidung zu unserer Strategie“, gab er seiner Hoffnung Ausdruck, wie seinerzeit beim U25-Haus auch in der kommunalen Erstaufnahme in Saarn „mit einem besonderen Konzept besondere Ergebnisse erzielen zu können“. Es gehe darum, bei der Integration nicht bis zu eineinhalb Jahre zu vertrödeln, „bis die Leute im SGB II ankommen“.

Die Stadt will für die Erstaufnahme „die hervorragende Infrastruktur“ am Kirmesplatz nutzen, wo das Deutsche Rote Kreuz mit 60 hauptamtlichen Mitarbeitern eine 24-Stunden-Betreuung gewährleistet. Da das Flüchtlingsdorf nicht voll belegt ist, können aller Voraussicht nach dort Büros für städtische Mitarbeiter eingerichtet werden.

Politik lobt Betreuung durch DRK und Johanniter

Voll des Lobes ist Mülheims Sozialpolitik für das, was Deutsches Rotes Kreuz und Johanniter in den Flüchtlingsdörfern auf dem Kirmesplatz und an der Holzstraße in Broich innerhalb weniger Monate auf die Beine gestellt haben und dort täglich im Zusammenwirken mit hunderten ehrenamtlich Engagierten leisten.

Der Vorsitzende des Sozialausschusses, Sascha Jurczyk (SPD), zeigte sich am Montag sehr überzeugt von der „Organisiert- und Strukturiertheit“, mit der die Hilfsorganisationen an beiden Orten zu Werke gegangen seien. Parteikollege Enver Sen meinte angesichts des ungebrochenen ehrenamtlichen Engagements an beiden Standorten, dass Mülheim in dieser Sache mal nicht sparen solle mit Selbstlob.

Polizeipräsenz gilt „den Gefahren von außen“

Zuvor hatten Frank Langer (DRK) und Jens Ohligschläger (Johanniter) dem Ausschuss aktuell Bericht erstattet. Langer lobte dabei noch einmal ausdrücklich die Entscheidung der Stadt, auf Holzhäuser zu setzen. Das böte den Flüchtlingen, die schwere Zeiten und Wege hinter sich hätten, auch gewisse Rückzugsbereiche. Das erleichtere den Alltag im Dorf. Innerhalb von fünf Monaten habe es weniger als zehn Polizeieinsätze am Kirmesplatz gegeben.

Das sei, so Langer, für die Wohnsituation dort und angesichts der Tatsache, dass dort 23 Nationen auf engem Raum zusammenlebten, doch wenig. „Ich schwöre Ihnen: Wenn Sie 600 Deutsche dort zusammenpacken würden, gäbe es da auch mal Probleme.“ Dass die Polizei mit Streifenwagen Präsenz zeige, so Ohligschläger mit Blick auf Anschläge auf Unterkünfte anderswo in Deutschland, gelte eher „den Gefahren von außen“.