Mülheim. In Mülheim fehlt das Geld für Reparaturen. Flickschusterei vergrößert den Investionsstau. Für den guten Zustand der Straßen fehlen 330 Millionen Euro.

Autofahrer spüren sie täglich: Dellen, Schlaglöcher und Spurrillen. Fast ein Viertel der Mülheimer Straßen ist mangelhaft. Weitere knapp 40 Prozent bewerten örtliche Straßenbauer mit ausreichend. Die restlichen Straßen sind gut bis befriedigend. Das ergab 2015 eine Prüfung heimischer Verkehrwege. Um alle Straßen in einen guten Zustand zu bringen, sind mehr als 330 Millionen Euro notwendig. Etwa ein Zehntel dieser Summe kann die Stadt für Straßenerneuerungen pro Jahr nur ausgeben. Darum wächst der Anteil mangelhafter Straßenflächen jährlich um ein Prozent, lautet die Prognose.

Die Ingenieure des Amtes für Verkehrswesen und Tiefbau stecken in einem großen Investitionsstau. Auf den mangelhaften Straßen sind fast ständig Mitarbeiter des Bauhofes unterwegs, um Schlaglöcher mit ein paar Schippen Asphalt zu füllen. Das hilft aber nicht. „Eine Fahrbahn mit Rissen und Löchern muss komplett erneuert werden“, erklärt Abteilungsleiter Andreas Pape. Die Flickschusterei sei aber nötig, um die Verkehrssicherheit zu erhalten. „Die Asphaltflicken zögern dringend erforderliche Reparaturen nur etwas hinaus und sie kosten zusätzlich Geld“, fügt er hinzu. Den Mitgliedern der Ortsparlamente hatte Frank Schöttler, bei der Stadt zuständig für Straßenerhaltung und -zustandserfassung, zuvor den Qualitätsverlust auf den heimischen Straßen mit Schaubildern verdeutlicht: Der Anteil guter Fahrbahnabschnitte hat sich von 2004 bis 2015 um ein Drittel verringert. In den gleichen zwölf Jahren hat sich der Anteil mangelhafter Straßenflächen um fast acht Prozent vergrößert.

Straßen brauchen stärkeres Fundament

„Wir können nur noch reagieren, nicht mehr vorbeugend Straßen unserer Stadt instand halten“, sagen Andreas Pape und Frank Schöttler. „Wir müssen mit unserem Etat knalleng kalkulieren. Geld für unvorhersehbare Reparaturen müssen wir an anderen Stellen abzweigen“, schildert Pape. Andererseits: Hätte der Kämmerer die Millionen zur Straßensanierung, fehlten im Tiefbauamt dafür die personellen Kapazitäten.

Unbefahrbar – wie einige Autofahrer sich im Rathaus beschweren – sind Mülheims Straßen deswegen nicht. Aber: Mehr dicke Lastwagen und Busse hinterlassen beim Anfahren und Bremsen bereits nach einem Jahr Spurrillen in neuen Fahrbahnen. Hinzu kommt: Viele Straßen brauchen jetzt ein stärkeres Fundament. „Früher hat niemand beim Bau dieser Straßen mit vielen, großen Lieferfahrzeugen gerechnet“, sagt Pape. Blumendeller Straße oder Werdener Weg seien dafür Beispiele. Die erhalten bald dickere Schichten, die mehr Lastwagentonnen (er-)tragen können.

Bei Rot ist Reparatur angesagt

Mehrere Straßen lässt die Stadt ab Sommer komplett – also mit stärkerem Unterbau – erneuern: Blumendeller Straße in Heißen, Werdener Weg in Holthausen (BV1), Hauskampstraße in Styrum, Nordstraße und einen Teil der Oberheidstraße in Dümpten (BV2). Auch die Kölner Straße schreit mindestens nach neuen Fahrbahndecken. Aber für die Kilometer zwischen Saarn und Selbeck (BV3) ist kein Geld in Sicht. Nur die etwa 7000 Quadratmeter Fahrbahn von Klostermarkt bis Straßburger Allee konnten zwei Firmen vor einem Jahr an drei Tagen erneuern – ein Glücksfall.

Dabei hätten es Abschnitte Richtung Autobahn ebenfalls nötig, wie die Prüfung des Messwagens deutlich zeigt. „Der Anteil guter Fahrbahnabschnitte halbierte sich von 2009 bis 2015 von 15 auf sieben Prozent. In den gleichen sechs Jahren hat sich der Anteil der mangelhaften Flächen auf dieser Bundesstraße von sieben auf 24 Prozent mehr als verdreifacht“, erläuterte Frank Schöttler (Amt für Verkehrswesen und Tiefbau) den Mitgliedern der Bezirksvertretung 3.

„Erscheinen rote Flächen in der Grafik, ist die komplette Reparatur geboten“, ergänzte Schöttler. „Bis wir dafür das Geld haben, müssen wir die Löcher ständig ausbessern, was den Straßenzustand insgesamt keinesfalls verbessert“, stellte Andreas Pape, Abteilungsleiter im Tiefbauamt, klar. „Wir werfen das Geld also auf die Straße, genehmigen wir Zuschüsse für solche Kleinreparaturen“, verdeutlichte Hermann-Josef Hüßelbeck, Bürgermeister im Stadtbezirk 3. Die Fachleute konnten nur zustimmen.

Delle durch bremsende Lastwagen

Den Mangel vor sich herzuschieben, fällt Ortspolitikern schwer. Fast wöchentlich hören sie in der Nachbarschaft, welche Straße Löcher hat. Sie geben diese Beschwerden regelmäßig an Mitarbeiter des Tiefbauamtes weiter. „Erneuern wir eine Straße, beschweren sich einige Anlieger ebenfalls, weil sie ihre Garagen nicht erreichen“, erklärt ein Holthausener Ortspolitiker. „Straßenbauer sind leider keine Heinzelmännchen“, beruhigt ein Dümptener Bezirksvertreter.

Was Straßenkontrolleuren auch auffällt: An der Einmündung Essener Straße/B1 hat sich auf der Fahrbahn Richtung Rumbachtalbrücke eine Delle gebildet. „Müssen Lastwagen aus Heißen kommend vor der Ampel bremsen, wirken diese Kräfte und schieben den Asphalt zusammen“, erklärt Frank Schöttler die Straßenphysik.

Auf der Duisburger Straße, zwischen Hochschule und Speldorf Bahnhof hat die neu gemachte Fahrbahn reichlich Huckel – Lasterschaden oder Garantiefall?