Mülheim. . Karl-Ziegler-Schüler simulieren eine Sitzung im Ratssaal. Ihre Debatte über eine Kiesinsel in der Ruhr endet mit einer freien Abstimmung und klarer Mehrheit

Eine wachsende Kiesinsel nahe der Schlossbrücke bietet viele Steine des Anstoßes. Soll sie als Naturreservat und kleiner Hochwasserbrecher erhalten bleiben? Oder soll sie weg, damit die Schifffahrt mehr Geld verdient und der Freizeitwert der Ruhr gesteigert wird. Mädchen und Jungen der internationalen Klasse sowie die 6a der Karl-Ziegler-Schule sollten dazu eine Lösung finden. Konsequenz: Der Politikunterricht wurde in den historischen Ratssaal verlegt.

Schnell hatten sich die jungen Leute auf den Ledersesseln eingelebt und die Tasten der Technik im Griff. Bei einem Rundgang auf der Schleuseninsel und im Haus Ruhrnatur hatte ihnen Stefanie Krohn die Tier- und Pflanzenwelt am Heimatfluss samt der europäischen Wasserrichtlinie erklärt. Mit diesem Wissen sollten die Schüler nun entscheiden, ob die Kiesinsel in der Ruhr bleiben soll oder wirtschaftliche Gründe Vorfahrt haben.

Die Lehrer Annette Lostermann-De Nil und Wolfgang Bramorski hatten für die Ratsdebatte die „Konservativen“ und die „Fortschrittlichen“ mit Parteiprogrammen vorgegeben. Die Konservativen wollten die Kiesinsel wegbaggern, mit Schifffahrt und Freizeit am Fluss mehr Geld in die leere Stadtkasse bringen. Die Fortschrittlichen wollten die neue Insel für Tieren und Pflanzen erhalten, weil Geld in der Welt nicht alles bedeutet und die Menschen die Natur zum Überleben brauchen.

Rat nicht für alle Veränderungen zuständig

Die Jugendlichen gingen fair in der Debatte miteinander um, spendierten dem politischen Gegner Beifall, was in normalen Ratsdebatten eher ausgeschlossen ist. Die Abstimmung ergab ein Patt, mit dem beide Parteien nicht zufrieden waren. Also hob der Schülerrat sofort den Fraktionszwang auf. Die Mehrheit beschloss: die Kiesinsel bleibt. „Und nach der Wasserrichtlinie darf sie gar nicht abgebaggert werden“, fügte eine Schülerin an.

Auch der Mülheimer Rat hat bereits öfter über Veränderungen entscheiden wollen, für die er nicht zuständig war. „Dafür haben wir unsere Dezernenten und Berater, weil wir auch nicht alles wissen können“, hatte zuvor Ulrich Scholten den Schülern erläutert. Der Oberbürgermeister und Bürgermeisterin Margarete Wietelmann begleiteten die Jugendlichen und warben bei ihnen, sich politisch für die Stadt zu engagieren. „Wer sich einsetzt, kann demnächst wieder im Ratssaal mit entscheiden.“

„Ihr könnt auf der Tribüne zuhören. Ratsdebatten können lehrreich und heiter sein“, ergänzte Wietelmann. Dass Politiker bei Fußballspielen flotter entscheiden, verrieten die Politikprofis ebenso. „Das Diskutieren war sehr spannend. Fraktionszwang macht aber unfrei. Das finde ich nicht gut“, resümierte eine Schülerin.