Mülheim. . Im nächsten Jahr stehen zwei große Wahlkämpfe an. Die klassischen Parteien machen sich Gedanken darüber, wie man vor Ort mit der AfD umgehen sollte.
Gut ein Jahr vor der Landtagswahl im Mai des nächsten Jahres – im September wird der Bundestag gewählt – machen sich die Parteien längst Gedanken darüber, wie weitere Erfolge der rechtspopulistischen AfD verhindert werden können. Damit rechnen Wahlforscher, gerade im Ruhrgebiet. „Wir müssen richtig was tun“, sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete Arno Klare und plädiert für eine offensive Auseinandersetzung. Wahlforscher sehen, dass die AfD gerade im klassischen SPD-Feld gewinnen könnte.
Klare setzt auf Aufklärung, vor allem darüber, wie erfolgreich gerade im Ruhrgebiet die Integrationsarbeit in den vergangenen Jahrzehnten abgelaufen ist, wie die Region in der Vergangenheit auch von Migranten stark profitiert habe. „Ich will weg von dem Schwarz-Weiß-Denken hin zum differenzierten Blick auf die Welt.“ Nicht nur in der Flüchtlingsfrage, so der SPD-Mann, sollte die AfD gestellt werden, sondern in ihrer gesamten Programmatik: „Die Menschen sollten auch wissen, dass die AfD etwa den Mindestlohn ablehnt oder für die Atomkraft eintritt.“
Für die offensive Auseinandersetzung tritt auch der CDU-Landtagsabgeordnete Heiko Hendriks ein, der zu denen gehört, die fürchten, dass die AfD in NRW der CDU, vor allem aber der SPD, Wähler wegnehmen könnte und ein Sammelbecken für all jene wird, die „schon immer gegen die da oben waren“. Es bringe aus seiner Sicht nichts, nur gegen die rechtspopulistische Partei zu demonstrieren und über sie zu klagen. Vielmehr müsse deutlich gemacht werden, dass deren Programm keine Antworten auf die Probleme der Zeit gebe.
Auch Zweifel an künftiger Stärke
So richtig, sagt der CDU-Kreisgeschäftsführer Thomas Mehlkopf-Cao, sei die AfD in Mülheim nicht greifbar. „Wer steht eigentlich dafür?“, fragt er sich. Und weil es in Mülheim längst nicht die Spannungen und Konflikte wegen der Flüchtlingskrise wie anderswo gebe, glaubt er derzeit auch nicht, dass diese Partei großen Zulauf am Ort erleben wird. Dennoch: „Wir werden uns präventiv mit ihnen auseinandersetzen müssen. Wir werden uns viel mehr noch mit den Sorgen und Ängsten der Menschen befassen müssen – unabhängig von einer AfD.“
Vielleicht, sagt der Kreisvorsitzende der FDP, Christian Mangen, werde man in einem Jahr schon gar nicht mehr die AfD in ihrer jetzigen Stärke antreffen, weil die Menschen deren abschreckende Politik durchschaut hätten, weil die Flüchtlingskrise entschärft sei. Mangen warnt aber davor, die Partei totzuschweigen. Die offene Konfrontation, die das rechtspopulistische Gedankengut aufdeckt, hält er für entscheidend in den kommenden Wahlkämpfen.
Die Grünen in Mülheim bewegt das Erstarken der AfD schon länger, nicht erst seit den vergangenen Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und in Baden-Württemberg. „Ich glaube, dass auch in Mülheim die AfD sehr schnell größeren Zulauf bekommen könnte. Ein einziger Vorfall in der Flüchtlingspolitik könnte dazu schon reichen“, fürchtet Vorstandssprecher Peter Loef eine schlummernde Gefahr. Einen wesentlich Grund sieht er in der latenten Unzufriedenheit vieler Menschen. „Die Proteste wegen eines Bauprojektes an der Mendener Straße haben uns gezeigt, wie selbst ältere Menschen sehr wütend werden können über eine Politik, von der man den Eindruck hat, dass sie von einigen wenigen bestimmt wird, die die Stadt unter sich aufteilen.“ Mit mehr Offenheit, einer ernst gemeinten Bürgerbeteiligung, so Loef, ließe sich diese Unzufriedenheit bekämpfen – und der AfD Boden entziehen.
Derzeit 40 Mitglieder
15 Prozent plus x, damit rechnet Dr. Ludger Beyerle vom Vorstand der AfD in Mülheim bei den kommenden Wahlen. „Da liegt noch viel Potenzial unter der Oberfläche“, sagt er und berichtet gar von verdeckter Zustimmung auch aus anderen Parteien.
Beyerle ist eines von derzeit 40 Mitgliedern, die die AfD in Mülheim hat. Etwa jedes zweite Mitglied sei unter 30 Jahre alt. Der Vorstand, so der Mediziner Beyerle, bestehe nur aus Akademikern. „Jeder, der Mitglied werden will, wird zuvor von uns ausführlich interviewt.“ Verfassungsfeindliches, rechtsextremes Gedankengut lehne man ab. Die Flüchtlingspolitik sei nur eines ihrer Themen. „Zu uns kommen Menschen, die den Eindruck haben, dass der Rechtsstaat nicht mehr funktioniert.“
Nach der Kommunalwahl im Herbst 2014 war die AfD mit drei Mitgliedern in den Rat eingezogen. Nach Austritt und Abspaltung ist davon nichts mehr übrig geblieben. Zwei Vertreter der AfD sitzen noch in Bezirksvertretungen.