Mülheim. . Bernd Dörr stieß 2007 durch Zufall auf eine kaputte Turnmatte. Ihm kam der Gedanke, aus alten Sportgeräten Taschen zu machen. Das Konzept ging auf.
Sein Lebenslauf ist nicht geradlinig, und doch greift eins ins andere, wenn Bernd Dörr (50) seinen Weg schildert. Einen Weg, der ihn letztlich zu dem machte, was er heute ist: erfolgreicher Entwickler origineller (Sport-)Taschen.
In den 80ern ließ sich der Heißener zum Fernmeldehandwerker ausbilden, ging danach zur Bundeswehr und war eingesetzt an einer Radarüberwachung in einem Atombunker. Den „stinklangweiligen Job“ ließ er alsbald hinter sich, wechselte zu einer Fernmeldefirma aus Essen, erfreute sich am Boom der Wendejahre: „Wir hatten eine Superzeit. Wir waren jung, alles war neu und spannend.“ In Thüringen und Sachsen ließen sich gute Geschäfte machen, vor allem in den Dörfern, wo es Telefonanschlüsse höchstens bei Polizei, Feuerwehr und Partei gab. Dörr und die Kollegen stellten Masten auf, verlegten Kabel, und genossen in der Freizeit „das günstige Leben, die netten Menschen und dieses Land, das zwar Deutschland war, aber eben doch so ganz anders“.
Basteln, Frickeln, Ausprobieren – das war schon immer sein Ding
Basteln, Frickeln, Ausprobieren – das war schon immer sein Ding. Und so ging es weiter, als Dörr sich 1995 entschloss, Lkw für Speditionen zu fahren. Etwa um diese Zeit sah er im Fernsehen, wie jemand mit Lkw-Plane hantierte, Taschen daraus machte. Eine Beobachtung, die ihn elektrisierte: Sein Onkel, der stellte doch auch solche Planen her. . . Nach kurzer Zeit hielt Dörr eine erste Tasche aus robuster Plane in Händen. DJs konnten darin hübsch ihre Schallplatten stapeln.
Bernd Dörr legt Wert aufs Marketing
Bernd Dörr wurde für das Design seiner „Zirkeltraining“-Produkte bereits mehrfach ausgezeichnet. Er legt großen Wert auf Marketing, arbeitet eng mit einem Freund bei einer Werbeagentur zusammen. So entstanden etwa die Namen der Taschen – Flic Flac, Hocke oder Bock –, oder auch der blaue Ausweis, der an alte Sport- oder Mofapapiere erinnert. Versehen mit einem alten Passbild Dörrs baumelt er an jeder Tasche. Handschriftlich werden das Alter der Materialien und das Datum hinzugefügt.
Auch die Kataloge der Firma sind nicht Nullachtfuffzehn: Die Models tragen Trainingsanzüge aus den 70ern und posieren vor altem Turngerät. „Alter Style“ und „Retro“ sind Vokabeln, die Bernd Dörr gern verwendet.
1996 wagte der Mülheimer den nächsten Schritt, meldete ein Gewerbe an. Noch entstanden die Taschen hobbymäßig, lebte er von den Brummi-Touren. Doch „sich ein wenig als Designer fühlen“, das gefiel ihm schon hervorragend. Es war die Zeit von Second-Hand-Avantgarde, die Geschäftsidee also lag im Trend, und dennoch dauerte es noch, bis Dörr groß rauskam. Zwischen 1995 und 2000 verkaufte er gerade 200 Taschen insgesamt; ab 2001 aber standen die Händler mit einem Mal Schlange.
Eine neue Geschäftsidee war geboren
Dörr ließ den Lkw stehen. Er hatte plötzlich 14 Mitarbeiter – die meisten in einer polnischen Näherei – und ein 270 Quadratmeter großes Lager in Duisburg, von dem aus die Ware bis heute verschickt wird. 2007 änderte sich trotzdem noch einmal alles von Grund auf: Auf einem Duisburger Hinterhof, bei einer Firma, die alte Turngeräte reparierte, entdeckte er eine gerissene Turnmatte und einen alten Kastendeckel. „Den Sperrmüll“, so hieß es, dürfe er mitnehmen.
Er werkelte wieder ein Weilchen; und eine neue Geschäftsidee war geboren. Aus ausgemusterten Matten, Stapelkästen, Pauschenpferden. . . entstehen seither Sport-, Umhänge- und PC-Taschen, Geldbörsen, Schlüsselanhänger und Handyhüllen. 10.000 Taschen lässt Dörr jährlich herstellen, zum Preis von 139 bis 329 Euro. Er könne mehr loswerden, sagt er, doch Problem sei: „Ich bekomme nicht mehr Material.“ Sein Hauptjob bestehe heutzutage aus Telefonieren. Fortwährend sei er damit beschäftigt, alte Sportutensilien heranzuschaffen.
Schulen, Hausmeister, auch Hersteller gehören zu den Lieferanten
Schulen, Hausmeister, auch Hersteller gehören zu den Lieferanten; dass Dörr ihnen das ausgemusterte Material abnimmt, erspart oft lästige Entsorgungskosten. Der gelernte Fernmeldehandwerker hat sich derweil zu einem Fachmann in Sachen Matten entwickelt, kann ihr Alter nach Struktur, Farbe, Form genau bestimmen. Seine Produkte laufen übrigens unter der Marke Zirkeltraining. Weil der Name bei jedermann Erinnerungen wecke, deshalb im Gedächtnis bleibe.