Dieser Fleck auf dem speckigen Leder, entstand er durch zuckrige Cola? Tropfenden Schweiß? Eine blutige Nase? In der Designwerkstatt des Mülheimers Bernd Dörr hat jedes Teil seine Geschichte. So kreiert er Sporttaschen aus der strapazierten Haut ausrangierter Turngeräte.

„Zirkeltraining“ heißt diese Kollektion, „Bock“, „Pferd“ oder „Hechtrolle“ nennt er die diversen Modelle. Trendbewusste Großstadtkinder schieben ihre mobilen Computer in superflache Laptop Sleeves: Hüllen aus verblichen-blauen Matten mit den unverkennbar abgerundeten Lederecken. Welten treffen aufeinander. Kindheitserinnerungen begleiten die Taschenträger auf Schritt und Tritt.

Niemand hat seine eigene Geburt im Gedächtnis, aber sehr vielen Menschen hängt der Schulsport nach: „Die Leute kaufen Erinnerungen“, bemerkt Markus Kreykenbohm, ein freier Mitarbeiter, „ob sie gut oder schlecht waren, ist egal“. Bernd Dörr liefert ihnen die Stoffe, seit 14 Jahren schon, lange bevor es die Reihe „Zirkeltraining“ gab.

1996 kam dem gelernten Fernmeldehandwerker die Idee, Taschen aus Lkw-Planen zu fertigen. Er bediente sich im Betrieb seines Onkels, einer Spedition, doch dieser war „wenig begeistert“, als er lauter Löcher entdeckte. Andere fanden die Idee gut, und Dörr ließ sich weiter inspirieren.

So schuf er etwa geräumige Messenger-Bags mit den satten Blumenprints nostalgischer DDR-Luftmatratzen. Das Material bezieht er „von Privat“, möchte jedoch keine Einzelheiten preisgeben, „sonst machen es andere nach“. Auch filzige Bundeswehrdecken, Postsäcke oder Tauchanzüge erweckt er zu neuem Leben. Bei einer seiner zahlreichen Asien-Reisen (aus Thailand stammt Bernd Dörrs Frau) fielen ihm „zufällig“ die bildschönen Muster der Reissäcke ins Auge. Auf einem Markt deckte er sich ein.

Etwa um die Jahrtausendwende ging Dörr die Sache hauptberuflich an. Der 44-Jährige lebt in Heißen, doch das Zentrum seiner Firma „Kultbag Bernd Dörr Recycling Goods“ liegt in Duisburg. „In Mülheim habe ich kein adäquates Gebäude gefunden.“ Die Halle mit hartem Boden, nackten Wänden und Stahlregalen voller Kartons dient allerdings nicht als Produktionsstätte, sondern als Atelier und Umschlagplatz.

Dörr ist inzwischen an einer Näherei in Polen beteiligt, wo Taschen jedweder Größe, Portemonnaies, Handyhalter, Schreibetuis gefertigt werden. Nach eigenen Angaben verkauft er zwischen 40 000 und 50 000 Taschen pro Jahr, auch nach Japan, Kanada, Schweden, Kanada und in die USA.

Auf das alte Turnhalleninventar stieß er, wieder durch Zufall, in einem Duisburger Hinterhof. Hier wartete ein Stapel blauer Matten neben kaputten Geräten auf die Sperrmüllabfuhr. Bei Nachforschungen entdeckte Dörr einen Reparaturbetrieb für Sportgeräte, und die Sache nahm ihren Lauf. Bernd Dörr denkt übrigens nicht ungern an seine Turnstunden zurück: „Ich war immer gut.“

Heute muss der Sport zurückstehen, gelegentlich fährt er ein bisschen Rad oder geht Schwimmen mit seinem siebenjährigen Sohn. Er sagt: „Ich habe ein neues Baby in Planung“, meint aber kein Kind, sondern die Idee für seine nächste Kollektion. Details bleiben Geschäftsgeheimnis.