Mülheim. Aber erneut haben sich fast 800 Menschen in Mülheim, die katholisch oder evangelisch waren, verabschiedet.
2015 haben sich wieder mehr als 800 Menschen in Mülheim aktiv aus der Kirche verabschiedet, darunter 439, die bis dato evangelisch waren, und 356 ehemalige Katholiken. Die Mitgliederzahlen beider Konfessionen schrumpfen weiterhin, es war aber auch schon schlimmer, nämlich 2014.
Da sprangen die Austrittszahlen nach oben, nicht nur hier in der Stadt. Als Grund galten „die Anschreiben der Banken zum automatisierten Einzug der Kirchensteuer auf Kapitalerträge“, wie Annika Lante, Pressereferentin des evangelischen Kirchenkreises, erklärt. Auch Ulrich Lota, Sprecher des Bistums Essen, hält finanzielle Faktoren für ausschlaggebend: „Man kann dies sehr exakt sehen: Beispielsweise auch bei Einführung des Soli-Zuschlags und der Pflegeversicherung, sind die Zahlen jeweils in die Höhe geschnellt.
Weniger Mülheimer haben einen Bezug zur Kirche
Doch auch für die Verbliebenen gelte: „Die Zahl der Leute, die noch Bezug zur Kirche haben, nimmt deutlich ab.“ Selbst unter den Katholiken wird ihr Anteil nur noch auf zehn Prozent geschätzt. „Wir versuchen, näher an die Lebenswirklichkeit heranzukommen“, sagt Lota. Viel und gerne gelesen werde das Magazin „Bene“. Seit Dezember 2013 erhalten es alle Katholiken im Bistum frei Haus.
Menschen, die den Weg zurück in die Kirche gehen, gibt es in deutlich geringerer Zahl. Fünf Wiederaufnahmen verzeichnete 2015 beispielsweise die katholische Pfarrei St. Mariae Geburt, immerhin eine mehr als im Vorjahr.
Der evangelischen Kirche in Mülheim schlossen sich im vergangenen Jahr 68 neue Mitglieder an, deutlich weniger als 2014, da waren es 90 Aufnahmen. Knapp die Hälfte kam über die Ladenkirche an der Kaiserstraße, die als Eintrittsstelle „gut angenommen wird“. Seit Anfang Februar fungiert dort Ulrike Laß als neue Leiterin.
"Kann ich mal eben in die Kirche eintreten?"
Zum Thema Wiederaufnahme steuert sie eine Geschichte bei, die sie vor wenigen Wochen erlebte: Eine Frau trat in die evangelische Kirche ein, die sie vor über 20 Jahren verlassen hatte. Beweggrund: Ihr schwer kranker Lebengefährte war, entgegen aller Prognosen, aus dem Koma erwacht. Ein „Wunder“ aus dem die Partnerin persönliche Konsequenzen zog.
„Jede Woche kommt jemand“, sagt Ulrike Laß. Eine Interessentin hatte es neulich eilig: „Mein Sohn sitzt noch im Auto. Kann ich mal eben in die Kirche eintreten?
Viel mehr Todesfälle als Taufen
Mitglieder verlieren beide Konfessionen aber vor allem aufgrund von Todesfällen. 2015 verzeichnete die evangelische Kirche in Mülheim 630 Bestattungen, während es 239 Taufen gab.
Dieses Verhältnis ist schon seit etlichen Jahren zu beobachten und dürfte sich auch künftig fortsetzen. Der demografische Wandel betrifft auch die Kirchen in erheblichem Maße.