Mülheim. . Seit der letzten Februarwoche stehen die entsprechenden Schilder auf der Kölner Straße entlang der Selbecker Ortsdurchfahrt. Hintergrund ist die Luftqualität. Die Reaktionen der Anlieger auf die Geschwindigkeitsbeschränkung sind gespalten.
Seit knapp zwei Wochen geben Tempo 30-Schilder die neue zugelassene Höchstgeschwindigkeit für die Selbecker Ortsdurchfahrt an.
Auf einem knappen Kilometer dürfen Verkehrsteilnehmer jetzt nur noch mit Tempo 30 anstatt mit 50 über diesen Abschnitt der Kölner Straße fahren. Hintergrund ist die Luftqualität: Weil an den 2012 eingerichteten Schadstoff-Messstellen an der Kölner Straße der aktuell gültige EU-Luftqualitätsgrenzwert von Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresmittel mehrfach überschritten wurde, hatte der Rat mit den Stimmen von SPD und Grünen Ende Januar die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h beschlossen.
Die Stadt ist gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der EU-Grenzwert eingehalten wird. In einem zweiten Schritt soll die Verwaltung zudem beauftragt werden, bei der Bezirksregierung auf die Ausdehnung der grünen Umweltzone für diesen Bereich zum 1. Januar 2017 hinzuwirken. Die Maßnahme wurde und wird im Stadtteil kontrovers diskutiert, die zuständige Bezirksvertretung 3 hatte sich gegen die Geschwindigkeitsbegrenzung ausgesprochen.
Einmal eingerichtet, erscheint die Strecke, auf der nun Tempo 30 gilt, manchem Verkehrsteilnehmer recht kurz. „Auf diesem Stückchen langsamer zu fahren, soll die Luft besser machen?“, fragt eine Kundin im Geschäft „Weinschmecker“ an der Kölner Straße ungläubig. Das Ausmaß der 30-Zone erklärt Michael Stallmann, zuständiger Sachbearbeiter des Umweltamtes, so: „Nur im Straßenraum des dicht besiedelten Bereichs der Kölner Straße haben wir diese hohe Konzentration an Schadstoffen und hier wohnen die Betroffenen. Nach der Ortsdurchfahrt wird die Bebauung aufgelockerter, da ist die Durchlüftung besser.“
Ordnungsamt hat schon geblitzt
In Selbeck ruft die Drosselung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Verbesserung der Luftqualität in der Ortsmitte geteiltes Echo hervor. Gärtnermeister Christof Rumbau, der mit seinem Betrieb jetzt genau in der Tempo 30-Zone liegt, sagt: „Ich finde das nicht schlecht, das trägt ja auch zur Verkehrssicherheit bei. Aber das dadurch jemand die Straße meidet, glaube ich nicht. Es sind bislang nicht weniger Lkw unterwegs.“
Viele seiner Kunden aber, das hat Rumbaum aus zahlreichen Rückmeldungen erfahren, seien mehr als skeptisch, ob die Maßnahme zur Luftreinhaltung etwas bringe. Und Rolf Gentges, Vorsitzender des Selbecker Bürgervereins, vermeldete schon kurz nach der Einführung der Tempo-30 Zone: „Es ist deutlich leiser geworden.“
Für großen Unmut unter den Selbeckern hat indes gesorgt, dass kaum eine Woche, nachdem die Tempo-30-Schilder aufgestellt worden sind, schon in diesem Abschnitt geblitzt worden ist. Die Polizei war es nicht. Auf Nachfrage erklärte die Pressestelle, Verkehrsteilnehmern eine Eingewöhnungsphase zuzugestehen, wenn eine neue Tempo 30-Zone eingerichtet wird. Es war das städtische Ordnungsamt, das in der vergangenen Woche bereits in der Selbecker Ortsdurchfahrt kontrolliert hat. Etwas zerknirscht räumt Stadtsprecher Volker Wiebels ein: „Es war der Wunsch der Bürgerschaft, dort Tempo 30 einzuführen. An uns liegt es dann, zu kontrollieren, dass das auch durchgesetzt wird.“
Untersuchungen mit Testfahrten waren vorausgegangen
Dem Beschluss des Rates zur Geschwindigkeitsbegrenzung auf 30 km/h in der Selbecker Ortsdurchfahrt war eine von der Stadt beauftragte Machbarkeitsstudie eines Ingenieurbüros vorausgegangen. Ein Ergebnis: „Durch Tempo 30 und grüne Umweltzone kann der Messwert wahrscheinlich eingehalten werden.“
Die Bezirksvertretung 3 hatte sich mehrheitlich gegen Tempo 30 auf der Kölner Straße ausgesprochen. Die Ortspolitiker befürchteten mehr Stau und, mit Blick auf die mögliche Ausweitung der Umweltzone, erwartbare Einbußen bei den Firmen, denn „die meisten Wohnmobile bekommen keine grüne Plakette.“
Umfrage: Wie beurteilen Sie die Geschwindigkeitsbeschränkung?
Erika Huck: „Ich bezweifle sehr, dass die Maßnahme mit Tempo 30 etwas zur Luftreinhaltung beitragen wird. Wenn es voll ist, während der Stoßzeiten, kann man sowieso nicht schneller fahren. Ich wohne seit 24 Jahren hier und sehe eher das Problem, das die Kinder nicht sicher genug über die Kölner Straße kommen. Hier im Zentrum von Selbeck gibt es schließlich nur zwei Ampeln. Dieser Aspekt erscheint mir noch wichtiger als die Luftqualität.“
Sabine Walder: „Wieso schränkt man die Tempobegrenzung nicht zeitlich ein und lässt sie nur während der Stoßzeiten gelten? Das wäre noch vertretbar. Außerdem finde ich die Beschilderung unübersichtlich, grade wenn man aus Süden nach Selbeck reinkommt: Am Ortseingang stehen so viele Schilder, dass man das 30er-Schild übersehen kann. Zudem kommt man jetzt schlechter aus den Ausfahrten raus, weil sich der Verkehr aufstaut.“
Nina Kramer: „Wenn ich rausgucke auf die Kölner Straße, sieht es aus, als ob da noch mehr Autos wären als vorher – gerade morgens. Wenn es voll ist, schleicht der Verkehr hier doch eh schon vorbei, besonders stadteinwärts im Feierabendverkehr fällt mir das auf. Außerdem hab ich den Eindruck, dass die Leute mit ihren Autos jetzt enger auffahren und so das Einfädeln schwieriger ist, wenn man vom Parkplatz auf die Straße fahren will.“
Bianca Uhlmann: „Unsere Kunden, die hier in der Bäckerei einkaufen, sind genervt von Tempo 30. Viele meckern und die allermeisten verstehen auch gar nicht, warum das eingerichtet worden ist. Ich hab den Eindruck, dass es morgens auf der Kölner Straße jetzt noch voller ist. Und abends, im Berufsverkehr, da staut es sich ja sowieso und man kann nicht schneller als 30 fahren. Dass schon in den ersten Tagen geblitzt worden ist, finde ich nicht okay.“