Mülheim. . Heute stimmt der Mülheimer Rat über die Maßnahmen zur Luftreinhaltung in Selbeck ab. Geschwindigkeitsbegrenzung als Option.

„Wir werden das Grundproblem auf der Kölner Straße, das hohe Verkehrsaufkommen, nicht lösen können.“ Deutliche Worte fand Umweltdezernent Peter Vermeulen auf der Bürgerinformationsveranstaltung am Montagabend in Selbeck, auf der die geplanten Maßnahmen zur Luftreinhaltung vorgestellt wurden. Auch Umweltamtsleiter Jürgen Zentgraf stieß in die gleiche Kerbe: „Es ist nicht Ziel, den Stau aufzulösen, sondern die Grenzwerte einzuhalten.“

Zum Hintergrund: An der im Jahr 2012 eingerichteten Schadstoff-Messstelle an der Kölner Straße wurde der aktuell gültige EU-Luftqualitätsgrenzwert von Stickstoffdioxid (NO2) im Jahresmittel mehrfach überschritten. Die Stadt ist aber gesetzlich verpflichtet, dafür zu sorgen, dass der EU-Grenzwert eingehalten wird.

Tempo 30 ab 2016 auf der Kölner Straße

Am heutigen Mittwoch wird der Rat der Stadt entscheiden, wie dieses Ziel erreicht werden soll. Der aktuelle Beschlussvorschlag sieht vor, die Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Kölner Straße ab dem 1. Januar 2016 auf Tempo 30 zu senken. In einem zweiten Schritt soll die Verwaltung zudem beauftragt werden, bei der Bezirksregierung auf die Ausdehnung der grünen Umweltzone für diesen Bereich zum 1. Januar 2017 hinzuwirken.

Caravan-Meile könnte abgehängt werden

Sollte die Umweltzone auf die Kölner Straße ausgedehnt werden, gelte für Fahrzeuge, die nicht über die grüne Plakette verfügen, weil sie einen zu hohen Schadstoffausstoß haben, dort ein Fahrverbot.

Händler, die entlang der Caravan-Meile sitzen, sehen darin Probleme: Viele ihrer Kunden führen Fahrzeuge, die älter seien und deshalb die Plakette nicht erhielten. Ohne diese könnten die Kunden dann aber die Firmen an der B1 nicht mehr ansteuern. Dadurch könnten Arbeitsplätze gefährdet werden könnten, mahnte ein Händler.

Diese Maßnahmenkombination kann zur Einhaltung des Luftqualitätsgrenzwerts an der Kölner Straße führen, machte Nicola Toenges-Schuller vom Ingenieurbüro Aviso deutlich, das von der Stadt mit einer Machbarkeitsstudie beauftragt worden war. „Durch Tempo 30 und grüne Umweltzone kann der Grenzwert wahrscheinlich eingehalten werden“, sagte die Expertin, betonte aber auch: „Tempo 30 alleine reicht allerdings nicht.“ Für die Machbarkeitsstudie hat das Ingenieurbüro Testfahrten in verschiedenen Geschwindigkeiten auf der Kölner Straße durchgeführt sowie Videoaufnahmen gemacht, deren Auswertung ergaben, dass im Schnitt 18 000 Fahrzeuge pro Tag über Selbecks Hauptverkehrsader rollen. Eine Drosselung auf Tempo 30, so ergaben die Messungen, verlängere die Reisezeit über die Kölner Straße um 20 Sekunden, minimiere aber auch die Emissionen.

"Wir irren voran"

„Was wir vorschlagen, ist ein guter Kompromiss“, war sich der Leiter des Umweltamtes, Jürgen Zentgraf sicher. Nicht so sicher allerdings scheint zu sein, ob der Rat heute neben der Tempo 30-Regelung für die Kölner Straße auch die Ausdehnung der Umweltzone mittragen wird. Umweltdezernent Vermeulen ließ durchblicken: „Die Umweltzone liegt nicht in unserer Hand, sondern in der der Bezirksregierung.“ Aus Sicht der Verwaltung sei es entscheidend, „dass wir nachweisen können, dass wir etwas getan haben“, so der Umweltdezernent. „Wir irren voran und wissen nicht, welche Maßnahme die beste ist“, sagte Vermeulen.

Eine weitere Idee um das Stickstoffdioxid-Problem in Selbecks Ortskern zu lösen, war kürzlich im Mobilitätsausschuss erörtert worden: Eine Lkw-Maut für die Kölner Straße, um den Brummi-Fahrern die Strecke zu verleiden. „Eine Maut ist innerorts rechtlich nicht möglich“, skizzierte Gabriele Wegner vom Umweltamt.

Diese Aussagen stellten die meisten Anwohner, die zur Infoveranstaltung in die Grundschule an der Karl-Forst-Straße gekommen waren, nicht zufrieden. „Morgens und abends staut es sich da sowieso auf der Kölner Straße, da wird Tempo 30 doch ad absurdum geführt“, wandte ein Selbecker ein. Und Rolf Gentges, erster Vorsitzender des Selbecker Bürgervereins, zeigte sich verwundert über die niedrige Anzahl der Lkw, die in der Studie mit drei Prozent schweren und vier Prozent leichten Nutzfahrzeugen der insgesamt 18 000 Fahrzeuge täglich angegeben wird. Wenig Verständnis für die Aufregung um Selbeck hatte hingegen ein 83-jähriger Besucher der Veranstaltung, der appellierte: „Macht unseren Stadtteil nicht schlecht als wäre er der schlimmste von Mülheim.“