Mülheim. Trotz Warnung der West LB: Mülheims Ex-Kämmerer wird für das Millionengrab mit Zins- und Währungswetten wohl nicht mehr zur Rechenschaft gezogen.
Ex-Kämmerer Gerd Bultmann und ehemals verantwortliche Beamte aus dem städtischen Finanzmanagement werden für das Millionengrab mit Zins- und Währungswetten nicht mehr zur Rechenschaft gezogen. Jedenfalls sieht das städtische Rechtsamt auch nach der ersten Gerichtsverhandlung zur Mülheimer Schadenersatzklage gegen die Abwicklungsanstalt der West LB keinen Anlass, seine Rechtsauffassung zur Causa Bultmann zu überdenken.
Bank-Anwälte sprechen von Warnung
In der Gerichtsverhandlung am 12. November 2015 hatten die Anwälte der Ersten Abwicklungsanstalt der Stadt und ihrer Kanzlei Baum, Reiter & Collegen nicht nur vorgeworfen, in ihren außergerichtlichen Gutachten „schon Purzelbäume geschlagen“ zu haben. Die EAA deutete an, auch belegen zu können, dass sie der Kämmerei im Jahr 2004 ausdrücklich davon abgeraten habe, in die Verlustzone geratene Derivatgeschäfte mit der Commerzbank durch deutlich risikoreichere neue Wetten mit der alten Landesbank abzulösen.
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Damit ist der Schwarze Peter noch einmal Ex-Kämmerer Gerd Bultmann zugeschoben. Im politischen Mülheim hatten daraufhin die Grünen und der fraktionslose Ratsherr Jochen Hartmann noch einmal Druck auf die Verwaltung ausgeübt. Zur jüngsten Finanzausschusssitzung zwangen sie das Rechtsamt erneut zu einer Stellungnahme, ob das Wirken Bultmanns und der alten Leitung des Finanzmanagements nicht doch grob fahrlässig gewesen sei und deshalb beamtenrechtliche Konsequenzen hätte nach sich ziehen müssen.
Nein. Bettina Döbbe als Leiterin des Rechtsamtes blieb im Finanzausschuss bei der Meinung, dass die Verantwortlichen zwar fahrlässig, aber eben nicht grob fahrlässig gehandelt hätten. An der Rechtsauffassung eines amtsinternen Gutachtens aus dem Jahr 2009 halte die Stadt fest. Die Einschätzung des Rechtsamtes wird sich im weiteren Verfahren am Landgericht Düsseldorf bewähren müssen.
Anwalt der Stadt bestreitet
Insgesamt blieben sowohl Döbbe als auch Anwalt Olaf Methner zur Frage einer möglichen Haftung von Ex-Kämmerer und Finanzmanagern der Stadt so oberflächlich wie in den Jahren zuvor. Weder legten sie explizit dar, in welcher Form die West LB seinerzeit von der Umstrukturierung der Geschäfte abgeraten hatte noch lieferten sie der Finanzpolitik ausführliche Informationen zu der Frage, warum eben nur fahrlässiges, aber kein grob fahrlässiges Handeln zu unterstellen sei. Lediglich verwies Döbbe darauf, dass sich die Handelnden bei der Stadt im Vorfeld von Banken beraten lassen hätten; ihre Einschätzung der jeweiligen Marktsituation, der Zinsentwicklung sei „zumindest vertretbar gewesen“.
Methner wiederum wollte gar nichts mehr von einer Warnung der West LB wissen. Sie habe es in ordnungsgemäßer Form nicht gegeben, ließ er sich in einer schriftlichen Stellungnahme zitieren. Dabei ist jene Warnung explizit im Rechtsgutachten aus dem Jahr 2009 erwähnt, das Methner vorliegen sollte. In einem Gutachten seiner Kanzlei stand schon einmal geschrieben, dass etwaige Ansprüche gegenüber Bultmann und Finanzmanagern ohnehin verjährt wären.
Ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Duisburg wegen Untreueverdachtes gegen Bultmann war 2013 ohne Anklage eingestellt worden. In einer anonymen Strafanzeige gegen Ex-Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld hatte die Staatsanwaltschaft erst gar keinen Anlass für Ermittlungen gesehen.
Vergleich statt voller Schadenersatz?
In der Millionenklage gegen die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) der West LB sieht Anwalt Olaf Methner für die Stadt weiter Chancen auf einen zufriedenstellenden Schadenersatz, obwohl das Landgericht im vergangenen November angedeutet hatte, die Klage nicht auf sicheren Füßen zu sehen.
Im Finanzausschuss verwies Methner nun darauf, dass das Oberlandesgericht Düsseldorf als mögliche Berufungsinstanz jüngst Signale gesendet habe, die doch Hoffnung machten. Weiter bestünden in der rechtlichen Bewertung von Wettgeschäften viele offene Fragen, die letztlich der Bundesgerichtshof klären müsse. Dort aber sei frühestens im Sommer mit einer weiteren Entscheidung zu rechnen.
Wie berichtet, hatte das Landgericht Düsseldorf Stadt und EAA nahegelegt, in Vergleichsverhandlungen einzusteigen. Die Stadt fordert in der Klage knapp 15 Millionen Euro Schadenersatz, für die West LB-Abwickler geht es gar um 36 Millionen.
Vergleichsgespräche sind in Vorbereitung
Methner bestätigte nun, dass etwaige Vergleichsgespräche in Vorbereitung seien. Man werde der EAA ein Vergleichsangebot unterbreiten. Gebe es ein Verhandlungsergebnis, werde man es der Politik noch vor dem nächsten Gerichtstermin im März zur Entscheidung vorlegen.
Heinz Borchardt (CDU) kritisierte, der Kanzlei ein solch weitreichendes Verhandlungsmandat nicht erteilt zu haben. Es wäre angebracht gewesen, im Vorfeld darüber zu diskutieren, „mit welcher Forderung wir da reingehen“. Methner entgegnete, dass seiner Kanzlei so Flexibilität in den Verhandlungen genommen wäre – und versicherte: „Es gibt eine relative Schmerzgrenze, mit der wir in die Verhandlungen gehen.“ Man werde sich jedenfalls nicht mit 2 bis 3 Prozent der Schadensumme zufriedengeben, wie es die Gegenseite im November als minimales Entgegenkommen in den Raum geworfen hatte.