Mülheim. . Das Gesetz gilt seit einem Jahr: Gewerkschafter gingen auch in Mülheim auf die Straße, um zu informieren. Der DGB sieht noch einige Baustellen.

Eine insgesamt positive Bilanz zog der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) ein Jahr nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns, doch ist das kein Grund für die Gewerkschafter, sich auf dem Erfolg auszuruhen: Am Montagnachmittag informierte der DGB in NRW nicht nur am Mülheimer Hauptbahnhof mit Geburtstags-Flyern und Gesprächen über das Thema. Seit dem 1. Januar 2015 haben Arbeitnehmer in Deutschland Anspruch auf mindestens 8,50 Euro pro Stunde.

1000 Tüten waren schnell verteilt

Die 1000 „Lohntüten“, die die rund 20 Gewerkschafter in der Mülheimer Bahnhofspassage verteilten, waren ruck-zuck unters Volk gebracht: „Kein Lohn unter 8,50 Euro pro Stunde“ lautete der Aufdruck außen, innen fand sich neben Süßigkeiten auch ein Infoheft mit den wichtigsten Fakten.

Trotz der Hektik gab es die eine oder andere Nachfrage der vorbeieilenden Pendler. „Es ist richtig, das zu unterstützen“, lauteten die überwiegenden Kommentare. 8,50 Euro brutto – auch das ist noch vielfach knapp genug, fanden einige. „Der Mindestlohn ist auch für die Jungen wichtig“, betonte Jan Mrosek, DBG-Jugendbildungsreferent für die MEO-Region. „Gerade bei Praktika und prekären Beschäftigungen müssen wir die 8,50 Euro halten.“ Wer sich ungerecht behandelt fühle, solle den Weg zur Gewerkschaft nicht scheuen, rät er.

Für wen der Mindestlohn nicht angewendet wird

Langzeitarbeitslose, die seit mindestens einem Jahr beim Arbeitsamt gemeldet sind, haben erst sechs Monate nach dem Wiedereinstieg in den Job das Recht auf den Mindestlohn.

Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung sind vom Mindestlohn ausgenommen, auch Azubis oder junge Leute in Pflichtpraktika.

Der Mindestlohn scheint etabliert: Rund 3,6 Millionen Menschen profitieren bundesweit von der gesetzlichen Untergrenze, gab der DGB schon zu Jahresbeginn bekannt, zumeist profitierten Ungelernte im Dienstleistungsbereich sowie Minijobber, Beschäftigte in der Nahrungsindustrie und der Gastronomie. Konkrete Zahlen für Mülheim hat der DGB nicht. Der DGB-Regionsgeschäftsführer Dieter Hillebrand ist allerdings überzeugt, dass nicht alle Berechtigten ihr Recht auch in Anspruch nehmen – aus Sorge um den Arbeitsplatz ließen sich Arbeitnehmer unter Druck setzen.

Auch deshalb sind die Gewerkschafter auf die Straße gegangen, um zu informieren, um Mut zu machen: „Die rechtliche Grundlage ist da, man muss es einfordern“, sagt Hillebrand, der trotz des Erfolgs weitere Baustellen benennt. „Die Langzeitarbeitslosen sind noch draußen“, sagt er, der auch für die Flüchtlinge keine Ausnahmen hinnehmen will. „Wenn ein Flüchtling einen Arbeitsplatz bekommen hat, hat er Anspruch auf 8,50 Euro pro Stunde – wie jeder andere nach dem Gesetz auch.“ Aber das, schätzt Hillebrand, „wird wohl erst in den nächsten Monaten auf uns zukommen.“