Mülheim. Pia-Geschäftsführer Frank Schellberg sieht keine Notwendigkeit für einen sozialen Arbeitsmarkt. Die Wirtschaft biete auch Langzeitarbeitslosen Chancen wie selten zuvor.

Einen sozialen Arbeitsmarkt – den fordert Ulrich Schreyer, Geschäftsführer des Diakoniewerks, seit Jahren. Zuletzt im NRZ-Redaktionsgespräch. Für Frank Schellberg, Geschäftsführer der Pia, wäre das der falsche Weg. In seinem Gesellschaftsmodell müsste es keine Langzeitarbeitslosen geben. Eine reizvolle Vorstellung. Zumindest sieht er für jeden Menschen, egal welche Einschränkungen und Probleme er hat, die Möglichkeit einer Beschäftigung. „Die Frage ist eher, schaffen wir es, schafft es die Wirtschaft, alle zu beschäftigen“, sagt Schellberg. Die Pia kümmert sich in der Stadt neben dem Diakoniewerk Arbeit & Kultur und der Berufsbildungswerkstatt um Beschäftigungsförderung.

Das Ziel Vollbeschäftigung würde schon viel Fantasie der Wirtschaft, einen wahren Kraftakt und langen Atem erfordern, räumt Schnellberg ein. Klingt ziemlich idealistisch, mag man einwenden. „Wir haben mehrfach bewiesen, dass es funktionieren kann“, entgegnet Schellberg auf Bedenken. Revierrad, Flüchtlingsbetreuung, Naturbad sind einige der Aktivitäten, die von der 1997 gegründeten Pia begonnen wurden und derzeit 180 Menschen Beschäftigung geben. 95 Prozent von ihnen haben, so Schellberg, früher einmal Hartz IV bezogen. Auch unter den 30 Beschäftigten des Dienstleistungszentrums Arbeit, das nach der Reform der Sozialgesetzgebung und der Ratsentscheidung, das Mülheim Optionskommune wird, aufgebaut worden ist, hätten die meisten zuvor von Hartz IV gelebt.

Aber was sind 180 Beispiele bei rund 13.500 SGB-II-Beziehern in der Stadt?

Über tausend Menschen durchlaufen jährlich das Zentrum, suchen Orientierung, durchlaufen Trainings und qualifizieren sich. Dadurch sei der Kontakt zu Menschen eng. Komme eine neue Aufgabe, wie etwa der Hausmeisterdienst in den Flüchtlingsunterkünften hinzu, könne man flexibel reagieren. „Wie könnt ihr Langzeitarbeitslose in Flüchtlingsheimen einstellen?“, hätten viele gefragt. Schellberg sieht das aber als Chance, weil so Menschen mit Migrationshintergrund zum Zug kämen. 50 Pia-Mitarbeiter arbeiten dort, fünf seien bereits von der Stadt übernommen worden.

Das Konzept von Pia sieht Schellberg als Selbsthilfeansatz, so ähnlich wie in der Entwicklungshilfe. Jeder macht sich selbst auf den Weg und entwickelt mit Hilfestellungen eine Zukunftsperspektive. Eines seiner Paradebeispiele ist Eberhard Uhl, der Assistent im Center-Management im Forum, der vor einigen Jahren noch bei Pia war, für eine Übergangszeit an den damaligen Center-Manager Wolfgang Pins ausgeliehen worden. Es passte, menschlich wie fachlich. „Wir kennen die Menschen. Wenn man nahe an den Menschen ist, findet man auch eine Perspektive“, sagt Schellberg. Er sieht darin eine Stärke für den Mülheimer Weg insgesamt. „Wir sagen nicht, dass wir das Ziel sind, aber wir sind ein Weg dorthin“, sagt der 53-Jährige und betont: „Es gibt sicher nicht nur den einen.“

„Den Menschen entdecken“ lautet das Motto seit der Gründung der Pia vor 18 Jahren. So soll jeder Mensch mit all seinen Potenzialen, seinen Fähigkeiten und Fertigkeiten, aber auch seinen Eigenheiten betrachtet werden. Schellberg spricht von „sozialer Personalentwicklung“.

Notwendige Flexibilität fehle

Im Gegensatz zu Ulrich Schreyer vom Diakoniewerk, der den sozialen Arbeitsmarkt fordert, weil er in seiner Praxis feststellt, dass es verfestigte Arbeitslosigkeit gibt, die sich teilweise auf die nächste Generation vererbt, sieht Schellberg diese Notwendigkeit nicht. Ein solcher Arbeitsmarkt erschiene ihm als Abstellgleis. „Wir haben nur diesen einen Arbeitsmarkt und können uns keinen zweiten oder dritten stricken.“ Gerade jetzt, wo Arbeitskräfte in vielen Bereichen knapp würden, sieht er bei der Wirtschaft eine wachsende Bereitschaft, sich auf Menschen mit schwierigen Lebenswegen einzulassen. Das zeige sich in einer kontinuierlichen Zunahme der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigtenanzahl.

„Wir brauchen weniger Programme, die sich mit ausgewählten Voraussetzungen nur an eine ausgewählte Zielgruppe wendet“, sagt Schellberg und stimmt mit Schreyer durchaus überein. Das schränke zu sehr ein. Jetzt gebe es ein Programm für Alleinerziehende, die das auch gebrauchen könnten, aber andere auch. Idealerweise müsste der Fallmanager in der Sozialagentur über einen großen Baukasten mit Instrumenten verfügen, die permanent bereitstehen und je nach Notwendigkeit flexibel zu einem sinnvollen Paket geschnürt werden könnten, um dem Arbeitslosen eine dauerhafte Perspektive zu eröffnen.

Fruchtbar sei es, wenn die Ziele der Stadtentwicklung und die der Personalentwicklung zusammen passen. Von beschäftigungspolitischen Nischen hält Schellberg nichts. Straßenfegen und Grünpflege hat er dabei nicht im Sinn. Und die Toilettenaufsicht habe er vor Jahren am Synagogenplatz auch nur übernommen, weil die Initiative dazu von einem Mitarbeiter ausgegangen sei, der das machen wollte. Schellberg stellt fest, dass viele Dinge, die vor Jahren noch als „zusätzlich“ und für Unternehmen uninteressant galten, inzwischen als innovativ gelten. Dazu zähle die ganze Mobilität von Mieträdern bis Carsharing ebenso wie den Heimlieferservice für Geschäfte. Den hat die Pia als „Shop & Go“ schon vor Jahren aufgebaut. So recht in Schwung gekommen ist er nicht.

Andere Bereiche waren erfolgreicher: Das als touristischer Baustein aufgebaute Revierrad ließe sich ohne weiteres ausgliedern und könnte bestehen, so wie sich vor einigen Jahren die Gesellschaft für Equipment und Service als „die Mülheimer“ auf eigene Füße gestellt hat und alles rund um Events und kleine und große Fest organisiert.