Mülheim. Familie Frömmel bewohnt ein über 200 Jahre altes Fachwerkhaus mit viel Geschichte(n) nahe der Kölner Straße. Die Hausherrin hat ihr Büro im Erdgeschoss und sorgt von dort aus für begrünte Dächer.

Wer ein über 200 Jahre altes Haus sein eigen nennt, weiß viele Geschichten darüber zu erzählen: In welchem Zustand man es vorgefunden hat, woher dieses Fenster oder jene Tür stammt, wie mühsam die Restaurierung war. Margret Frömmel (60) und ihre 23-Jährige Tochter Lena können ein Lied davon singen.

Hier hat jedes Teil eine Geschichte, und genau das macht die Atmosphäre des Hauses aus. Margret Frömmel erzählt, wie sie es vor über 20 Jahren nahe der Kölner Straße fanden; dass es acht Jahre leer gestanden hatte und ganz verwahrlost war; wie froh die Nachbarn waren, als sie es schön herrichteten und was die beiden Architekten, die glücklicherweise zur Familie gehörten, an ausrangierten Teilen von anderen alten Häusern eingebaut haben, wie zum Beispiel die Flügeltüren und das Treppengeländer mit dem schön geschnitzten Pfosten.

Von außen ist das Haus der Frömmels als Fachwerkhaus kaum zu erkennen.
Von außen ist das Haus der Frömmels als Fachwerkhaus kaum zu erkennen. © FUNKE Foto Services

Ein Jahr lang haben sie gewerkelt. Vom Holzgerippe zum schmucken Häuschen mit Anbau. „Das Haus war total entkernt. Wir mussten es aufbauen und gestalten.“ Wie alle bäuerlichen Häuser aus dieser Zeit war es ursprünglich mal ein Fachwerkhaus. Von innen sieht man es noch. Ein Traum aus frei stehenden Längs- und Querbalken, dicken Wänden und niedrigen Decken. Gemütlich ist es im Wohnzimmer mit vielen Durchblicken, wo einst Fachwerk war.

Privatleben und Arbeitsplatz trennen nur wenige Schritte

Bei all den Balken gibt es einen ganz besonderen: den über der Haustür. Margret Frömmel denkt über 20 Jahre zurück: „Beim Renovieren sagte der frühere Besitzer zu uns: ‚Sie machen das so schön, ich gebe Ihnen jetzt doch den alten Balken mit der Inschrift.‘ Den wollte er eigentlich für sich behalten.“ Leider gibt die Inschrift Rätsel auf. Zu entziffern ist nur: Witwe Katharina Kleindieck und ihre Kinder haben unter Gottes Segen dies Haus erbaut, im Jahr 1794… Renovatum… „Ab da wird es unklar“, sagt Lena, „je nachdem, wie das Komma gemeint ist. 1794 erbaut oder renoviert?“ Wie alt ist das Haus nun wirklich? Man weiß es nicht genau. Margret Frömmel erinnert sich: „Wir haben jedenfalls 1994, ein Jahr nach dem Hauskauf, eine 200 Jahr-Feier gemacht.“

Ländlich wohnen, zuhause das Büro und zwei Minuten mit dem Fahrrad zum Pflanzenbetrieb. Nahe genug, dass die kleine Lena nach der Schule rüberlaufen konnte zur Mama. Das war die Idee, und sie wurde umgesetzt. Privatleben und Arbeitsplatz trennen nur wenige Schritte. Hinter einer Holztür mit altmodischem „Büro“-Schild ist Margret Frömmel ihre eigene Chefin einer Dachbegrünungsfirma. Hier kann man Pflanzen zur Dachbegrünung kaufen, die die leidenschaftliche Gärtnerin auf einem Areal in der Nähe selbst züchtet und auf Platten anwachsen lässt, die später im Ganzen auf das Dach aufgelegt werden.

Sie sorgt für begrünte Dächer

Ein heller Arbeitsplatz mit Sprossenfensterblick auf die kleine, ruhige Straße, wo sie vom Schreibtisch aus netten Nachbarn zuwinkt. An den Bürowänden kann man auf großen Fotos sehen, wie sich ein Dach zum Positiven verändert, wenn man es begrünt. „Mein größter Auftragsstolz ist die deutsche Botschaft in Rom, auf dem Dach wachsen meine Pflanzen.“ Auch viele Mülheimer Dächer sind mit Frömmels Pflanzen begrünt; natürlich auch ihr eigenes Haus samt Carport und Gartenhäuschen. „Es ist einfach ökologischer und dazu ein schöner Anblick. In heißen Sommern ist es bei uns in der Küche immer deutlich kühler.“

Margret Frömmel arbeitet „im Einklang mit der Natur. Im Frühjahr, wenn die Natur voller Energie ist, habe ich selbst auch viel Elan, es gibt draußen viel zu tun. Im Sommer pflege ich meine Jungpflanzen und die Aussaaten. Alles wächst, da fühlt man sich stark. Im Winter wird es ruhiger. Bei Frost weiß ich, ich habe nun Ruhe, genau wie die Natur.“ Wohnen und arbeiten unter einem Dach, das kann Margret Frömmel gut trennen. Und vom täglichen Verkehrschaos auf dem Weg zur Arbeit hört sie nur morgens im Radio. „Ich bedauere immer die armen Leute im Stau. Ich gehe nach dem Frühstück einfach über den Flur und fange an zu arbeiten. Das ist ein großes Glück.“

Das Klavier der Urgroßmutter erklingt

Lena Frömmel spielt auf dem über 100 Jahre alten Klavier ihrer Uroma.
Lena Frömmel spielt auf dem über 100 Jahre alten Klavier ihrer Uroma. © FUNKE Foto Services

Lena Frömmel hat zwar auch den ‚Grünen Daumen‘ der Mutter. „Aber nur so etwa dreiviertel“, lacht sie, denn noch lieber als Pflanzennamen auswendig zu lernen, macht sie Musik. „Das ist doch ein bisschen mehr mein Ding.“ Die angehende Lehrerin studiert an der Folkwang-Universität in Essen Musik und in Duisburg Mathe- und Bildungswissenschaften und hat, passend zum alten Haus, in ihrem kleinen Arbeits- und Wohnzimmer ein antikes Klavier stehen. Auch verschiedene Blockflöten liegen gleich neben dem Klavier.

Sie zeigt ein Foto der Uroma. „Das Klavier stammt von ihr. Es ist über 100 Jahre alt und hat halbwegs unbeschadet die beiden Weltkriege überstanden. Ich freue mich, die Möglichkeit zu haben, fürs Musikstudium darauf zu üben. Es hat einen sehr weichen Klang, aber leider einen Halbton zu tief; es hat hinten mal einen Riss bekommen, deshalb kann man es nicht mehr stimmen. So kann kein anderes Instrument dazu gespielt werden. Aber ich mag es total und würde es nie abgeben.“ Ein schöner Gedanke, dass Melodien alter Künstler auf einem alten Klavier der Urgroßmutter durch dieses alte Haus klingen – gespielt von einer jungen Frau.