Mülheim. Die Stadt Mülheim klagt gegen die West LB auf Schadenersatz für millionenhohe Wettverluste. Für die Stadt könnte das Urteil heikel werden.
Im Streit um Schadenersatz für Millionenverluste bei hoch spekulativen Wetten auf Zinsen und Währungen treffen sich am Donnerstag die Stadt Mülheim und die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) der ehemaligen West LB vor dem Landgericht Düsseldorf.
Es geht um fast 15 Millionen Euro, die die Stadt zurückerstattet bekommen will. Dabei sind die Stadt und ihre Anwälte nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes in ihrer Argumentationslinie arg ins Straucheln geraten. Plötzlich steht auch die Frage wieder im Raum, ob Verantwortliche der Stadt die Wettgeschäfte überhaupt hätten einfädeln dürfen.
Bundesgerichtshof hat seine Rechtsansicht konkretisiert
Der Bundesgerichtshof hatte in diesem Jahr eine Klage der Stadt Ennepetal gegen die alte West LB an das Oberlandesgericht zurückverwiesen, das nun mit neuen höchstrichterlichen Vorgaben noch mal zu prüfen hat, ob Ennepetal tatsächlich Schadenersatz zusteht. Die Karlsruher Richter gaben dem OLG einen deutlichen Hinweis. Ansprüche aufgrund mangelhafter Aufklärung seitens einer Bank könnten nur geltend gemacht werden, wenn die beklagte Wette (das Swap-Geschäft) nicht dem sogenannten Konnexitätsgrundsatz entspreche. Übersetzt heißt dies: Wenn die Wetten nicht explizit als Zinssicherungsgeschäft an entsprechend variabel verzinste Darlehen angedockt sind.
Die Festlegung der Bundesrichter könnte heikel werden für die Stadt: Wenn sie nämlich heute, wie jüngst im Finanzausschuss angekündigt, vor Gericht die Meinung vertritt, Mülheims Wettgeschäften seien keine bestimmten Darlehen als konnexe Grundgeschäfte zugeordnet, räumt sie möglicherweise erstmals auch ein, dass sie die Swaps nicht als Zinssicherungsinstrument, sondern rein spekulativ eingesetzt hat. Das könnte als Verstoß gegen die Gemeindeordnung zu werten sein.
Anklage in Pforzheim gegen Ex-OB und Ex-Kämmerin
Tatsächlich müssen sich im April 2016 erstmals ehemals verantwortlich Handelnde einer Stadt strafrechtlich verteidigen. So haben sich Ex-Oberbürgermeisterin, Ex-Kämmerin und deren Stellvertreter aus Pforzheim einer Klage zu erwehren, die ihnen unter anderem wegen eines vermeintlichen Verstoßes gegen das Spekulationsverbot Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue vorwirft. Pforzheim hatte mit Wettgeschäften rund 57 Millionen Euro in den Sand gesetzt.
Auffallend in der Mülheimer Argumentationskette ist, dass die zur gerichtlichen Vertretung eingesetzte Kanzlei Baum, Reiter & Collegen noch 2012 in ihrem Gutachten zu den Mülheimer Wetten festgestellt hatte, dass alle Geschäfte dem Grundsatz der Konnexität entsprächen. Diese Aussage trafen die Anwälte seinerzeit, um den Verantwortlichen in der Stadtkämmerei eine weiße Weste zu bescheinigen. Jetzt, da mit jener allgemeinen Feststellung kein Schadenersatz zu gewinnen wäre, drehen die Gutachter ihre Aussage um – ihr Hinweis, dass es gleichwohl einen Unterschied zwischen jener „Konnexität“ gebe, die der Bundesgerichtshof beschrieben hat, und der per Gemeindeordnung verpflichtenden „kommunalrechtlichen Konnexität“, bleibt dabei schwammig. Das wissen die Gutachter selbst: „Allerdings“, schreiben sie im jüngsten Bericht für Mülheims Finanzausschuss, „besteht die Möglichkeit, dass die Gerichte dies teilweise anders sehen werden.“