Mülheim. . Paritosh Kundu kam aus Indien nach Deutschland. Auch wenn sein Schicksal mit dem der Flüchtlinge nicht vergleichbar ist, verfolgt er die Entwicklung.

Als Paritosh Kundu im Sommer 1961 nach Deutschland kam, landete er weich: Er hatte Arbeit, bekam 300 Mark in der Woche und fand ein Zimmer mit Vollpension bei einer freundlichen Familie, die ihm auch bei der Sprache half. Mit dem, was die Menschen durchmachen, die heute in Scharen nach Deutschland kommen, haben seine Erfahrungen nichts zu tun. Der gebürtige Inder, der Jahre lang im Mülheimer Stadtrat saß, fühlt trotzdem mit und macht sich Gedanken.

Er mag es nicht mehr hören, dieses immer und immer wieder bemühte Wort von der Integration. Man solle deutlich weniger darüber sprechen, fordert Kundu, und lieber deutlich mehr für die Bildung der Neuankömmlinge tun. Oben auf der To-do-Liste stehe Sprachunterricht: „Nur über Kommunikation funktioniert Integration“, so der 75-Jährige. „Außerdem kann man niemanden zur Integration zwingen. Sie kommt von allein, funktioniert nur von innen heraus – und zwar auf beiden Seiten.“ Integration, so habe er das früher schon oft gesagt, sei vor allem „eine Herzenssache“.

Den Mund aufmachen und sich einmischen

Den Mund aufmachen und sich einmischen, das hat Paritosh Kundu als junger Mensch gelernt. Vorbild war ein Onkel, ein Kommunist, der damals in Indien für seine Überzeugungen sogar ins Gefängnis musste.

Paritosh – 1939 in Jamschedpur geboren, „einem Stahlort, ähnlich dem Ruhrgebiet“ – hatte sich nach dem Maschinenbaustudium als Praktikant bei deutschen Firmen beworben und war bei einer Mannesmann-Tochter in Langenfeld untergekommen. „Nach Europa zu gehen, war damals modern“, erzählt er. Neugier sei der Antrieb gewesen, nichts weiter, „wir hatten alle Arbeit und meine Familie war wohlhabend“. Not habe damals kaum einer gelitten, aber es sei eben spannend gewesen, Europa kennenzulernen.

Materialprüfer und Gewürzhändler

Per Visum kam Kundu ins Land; er fühlte sich „von Anfang an willkommen“. Auf eigene Kosten besuchte er nach Dienstschluss eine Sprachschule, wechselte mehrfach die Stelle und letztlich zu Mannesmann nach Mülheim. Er wurde Experte für Zerstörungsfreie Materialprüfung, erwarb auf dem Technikum noch einen deutschen Abschluss als Maschinenbautechniker. Mitte der 80er machte er sich vorübergehend selbstständig. Da das nicht lief wie erhofft, sattelte er um, eröffnete einen Gewürzladen und verkaufte fortan Kardamom, Kurkuma & Co.

Kundu bewies Flexibilität, er war offen für Vieles, „und meine Einstellung war immer sozial“. Das alles half beim Einleben in der neuen Kultur. Und gab seinem politischen Engagement die Richtung: Kundu gehörte schnell der Gewerkschaft an, ab 1972 auch der SPD. In der Kommunalpolitik fühlte er sich wohl, saß von 1993 bis 2008 im Rat.

Schaue er nun auf sein Leben zurück, denke er oft darüber nach, wie das damals eigentlich funktioniert habe, als er so ganz ohne Sprachkenntnis ins große Abenteuer aufgebrochen war. Kundu hatte Glück, für seine Integration brauchte er zunächst gar keine Worte. Mit der Familie, die ihn aufnahm, lief Kommunikation auch so: „Ich habe gelacht – und sie haben gelacht.“