Mülheim an der Ruhr. . Wirtschaftsförderer glaubt, dass Trendwende bei Entwicklung der Einwohnerzahl möglich ist. Empfehlung: Werben um Hochschulabsolventen und Familien.

Vor sieben Jahren rutschte Mülheim erstmals seit 1955 wieder unter die Marke von 170.000 Einwohnern. Chef-Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier ist nun fest davon überzeugt, dass die Stadt ihre Einwohnerzahl bis zum Jahr 2030 wieder bei jenen 170.000 Bürgern stabilisieren kann – ungeachtet der aktuellen Flüchtlingszuzüge. Die Stadt, so seine These, tue gut daran, sich als attraktiver Wohn- und Arbeitsort für Hochschulabsolventen und Familien mit mittleren und höheren Einkommen zu positionieren.

Mit der Prognos AG hat die Wirtschaftsförderung ein Szenario skizziert, wie dem erwarteten Schwund auf 160.000 Einwohner zu begegnen sein soll. „Wir haben sehr gute Rahmenbedingungen, um als Wohnstandort zu wachsen“, sagt Schnitzmeier. Selbst die Innenstadt habe Potenzial, wenn aktuelle Anstrengungen, Eigentümer für Modernisierungen zu gewinnen, von Erfolg gekrönt würden.

Mülheim hat überproportional Bürger im Alter von 30 bis 50 Jahren verloren

Mülheim hat in der jüngeren Vergangenheit überproportional Bürger im Alter von 30 bis 50 Jahren verloren. Das, so Schnitzmeier, soll nicht so bleiben. Als wirtschaftsstarke Stadt mit neuer Hochschule seien Anstrengungen zu unternehmen, Einpendler als Neubürger zu gewinnen. Pro Jahr könnten 0,6 % der Berufseinpendler im Alter von 25 bis 44 Jahren für einen Umzug nach Mülheim gewonnen werden, ebenso 0,5 % der 18 bis 24 Jahre alten Einpendler. Weitere Zielmarken der Wirtschaftsförderung: Fast jeder dritte Hochschulabsolvent, der während des Studiums seine Zelte in Mülheim aufgeschlagen hat, soll gehalten werden, auch über die Möglichkeiten technologiebasierter Existenzgründungen. Ebenso soll fast jeder dritte Erstsemester Mülheim als Wohnort wählen.

Studie sagt ein Plus von gut 3300 Erwerbstätigen voraus

Laut Prognos-Studie könnte es Mülheim mit dem Einwohner-Plus gelingen, bis zum Jahr 2030 gut 3300 mehr Erwerbstätige zu gewinnen, vor allem die Dienstleistungsbranche werde wachsen – laut Schnitzmeier eine Chance, den immens hohen Büroleerstand in Mülheim wieder mit Leben zu füllen.

Der M&B-Chef macht aber auch klar, dass für eine solche Entwicklung „zusätzliche Flächen benötigt“ werden – sowohl für Gewerbe als auch für Wohnen.

Um diese Ziele zu erreichen, so Schnitzmeier, müsse die Stadt mit Partnern an vielen Rädchen drehen. Die Marken als wohn- und familienfreundliche Stadt seien zu pflegen; das angekündigte Wohnbau-Engagement der SWB etwa sei folgerichtig, um finanzierbaren modernen Wohnraum zu schaffen. Eine Neuauflage des „100-Häuser-Programms“ befürwortet Schnitzmeier. Das alte Lindgens-Gelände am Kassenberg sei zügig für hochwertiges Wohnen zu entwickeln.

Die Politik reagierte gestern im Wirtschaftsausschuss verhalten optimistisch. Ilselore Paschmann (CDU) forderte, auch Azubis von außerhalb für die Wohnstadt zu begeistern. Dieter Wiechering (SPD) ermahnte seine Politik-Kollegen, sich im Sinne der Sache anzustrengen und nicht – wie in der Vergangenheit etwa bei der Frage neuer Gewerbeflächen – notwendige Schritte zu blockieren.