Mülheim. . Die Stadt geht im Streit um Schadenersatz für ihre Verluste bei Wetten mit der Commerzbank in die Berufung. Derweil macht ein Urteilsspuch des Bundesgerichtshofes Sorgen.

Im Streit um rund 590 000 Euro Schadenersatz für Verluste aus Wettgeschäften mit der Commerzbank aus den Jahren 2003 und 2004 hat die Stadt nach der Schlappe in erster Instanz nun Berufung eingelegt.

Das Landgericht Essen hatte die Klage der Stadt im Sommer abgewiesen. Das Gericht hatte die Sache überraschend als verjährt angesehen, da die Stadt der Bank keine vorsätzliche Falschberatung habe nachweisen können, die eine längere Verjährungsfrist zur Folge gehabt hätte. Außerdem sei die Stadt die Wetten seinerzeit unter Ex-Kämmerer Gerd Bultmann gar in Kenntnis der Risiken eingegangen. Schließlich, so das Gericht, hätten die Commerzbank-Geschäfte im Endeffekt gar keine Verluste eingebracht, weil diese in Folgegeschäfte mit der West LB eingepreist und neutralisiert worden seien.

Auf Empfehlung der eingeschalteten Fachanwälte geht die Stadt nun in die nächste Instanz. Die Kanzlei, heißt es in einem Bericht für den nächsten Finanzausschuss, „hält die Begründung des Landgerichts zur Frage der Verjährung, zur Kausalität und zur Schadensberechnung nicht für tragfähig.“ So trage etwa die Bank die Beweislast für den fehlenden Vorsatz bei einer Falschberatung.

Kämmerer rechnet mit Entscheidung erst „in letzter Instanz“

Im Lagebericht zum wieder einmal hoch defizitären Jahresabschluss 2014 skizziert Kämmerer Uwe Bonan auch Chancen für eine positive Entwicklung – unter anderem bringt er seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die Stadt vor Gericht Erfolg haben könnte mit ihren Schadenersatzklagen gegen die Commerzbank und die Rechtsnachfolgerin der West LB wegen der im vergangenen Jahrzehnt erlittenen Verluste mit hoch spekulativen Wetten auf Zinsen und Währungsentwicklungen. Noch in diesem Jahr soll das zweite Klageverfahren starten, in dem es um den weitaus größten Teil der eingeklagten rund 15,36 Millionen Euro geht.

Bonan richtet sich offenbar auf eine langwierige gerichtliche Auseinandersetzung mit den Banken ein. Er prognostiziert eine Entscheidung „in letzter Instanz“. Die Klage gegen die Commerzbank (ca. 590 000 Euro) geht nun in die zweite Instanz. Am 12. November soll endlich auch die Klage der Stadt gegen die Erste Abwicklungsanstalt (der West LB) vor dem Landgericht Düsseldorf verhandelt werden. Auch einen Verhandlungstermin im Frühjahr hatte das Gericht kurzerhand aufgehoben, weil es Sinn darin sah, ein seinerzeit mit Spannung erwartetes Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) zu einer ähnlich lautenden Schadenersatzklage der Stadt Ennepetal abzuwarten.

Ennepetal erlitt beim BGH eine Schlappe

Ennepetal erlitt in Karlsruhe zwischenzeitlich einen Rückschlag. Der BGH bekräftigte zwar sein Grundsatzurteil aus dem Jahr 2011. Demnach seien Banken vor dem Abschluss der sogenannten Swap-Verträge grundsätzlich verpflichtet, unter dem Gesichtspunkt des schwerwiegenden Interessenkonfliktes (beratende Bank als Wettpartnerin, die nur gewinnt, wenn der Vertragspartner verliert) darüber aufzuklären, wenn in einem Swap schon zu Beginn Verluste für den Wettgegenüber eingepreist sind. Doch der BGH schränkte ein: Dies gelte nicht, wenn der Swap-Vertrag der Absicherung gegenläufiger Zins- oder Währungsrisiken bei jenen Kreditgeschäften diene, die als Grundgeschäft des Swaps hinterlegt seien. Dies, so der BGH, sei in der Causa Ennepetal gegeben. Der Gerichtshof verwies die Klage der oberbergischen Kleinstadt zurück ans Oberlandesgericht, das nun noch einmal auf Basis dieser Rechtsausführung entscheiden soll.

Auch für Mülheim könnte dies bedeuten, dass die Chance auf Schadensersatz schmilzt. Denn bislang haben Kämmerer Uwe Bonan und Rechtsdezernent Dr. Frank Steinfort stets auf Nachfragen der WAZ betont, dass alle Mülheimer Swaps eben der Absicherung von etwaigen Risiken bei hinterlegten Krediten (Grundgeschäften) gedient hätten. Nachweise haben Bonan und Steinfort dafür nicht erbracht, ihre wiederholte Betonung jener „Risikoabsicherung“ macht aber Sinn: Ohne eine solche Verknüpfung der Swaps mit gegenläufig ausgerichteten Kreditgeschäften müsste sich die Stadt dem schwerwiegenden Vorwurf stellen, dereinst gegen das Spekulationsverbot in der Gemeindeordnung verstoßen zu haben.

Anwälte prüfen Aussagen des BGH-Urteils

Zu dieser Sachlage bezieht das Rechtsamt in einer aktuellen Vorlage für die Finanzpolitik noch keine Stellung. Amtsleiterin Bettina Döbbe sagte am Mittwoch auf Anfrage, die Stadt habe ihre Anwälte zunächst einmal „gebeten, das umfangreiche BGH-Urteil auszuwerten“. Im November wolle man der Finanzpolitik dazu berichten.