Mülheim. Angela Cichy findet den Forum Tower toll und viel besser als seinen Ruf. Für die Wohnung dort entschied sie sich von einer Minute auf die andere.
Angela Cichy hat keine Höhenangst. Und abergläubisch ist sie auch nicht, hier im 13. Stock. Zwei gute Voraussetzungen, in den bekanntesten Mülheimer Häusern zu wohnen, den Iduna-Hochhäusern. „Unseres nennt sich The Forum Tower“, sagt sie etwas belustigt und rollt das R bei ‚Forum‘. „Und der Hausmeister heißt hier Facility Manager.“ Wieder ein kleines Schmunzeln. „Im zweiten Stock hat er sein Büro, Sprechstunde täglich von 9 bis 10 Uhr. Für dringende Fälle gibt es das rote Telefon. Wenn mal ein Rohr platzt oder Wasser überläuft.“
Ein wenig erinnert alles an ein Hotel: Lift, dunkler Teppichboden auf dem langen Gang, indirekte Beleuchtung, viele Türen. Als Angela Cichy ihre öffnet, ist der erste Eindruck: Boah, was für eine Aussicht! Schon im Eingangsbereich geht der Blick sofort hinaus. Gebannt starrt der Gast erstmal aus dem Fenster. Eine neue Sicht auf die Heimatstadt, Mülheim von ganz oben. Das hat sie sofort begeistert, als sie innerhalb eines Tages diese Wohnung übernahm. Anrufen, sofort besichtigen, zusagen. So schnell ging das.
„Die Wohnungen hier sind alle nicht groß"
Seit vier Monaten erst wohnt Angela Cichy hier im Herzen der Stadt und hat den Umzug nicht bereut. „Die Wohnungen hier sind alle nicht groß, aber hell und gut geschnitten; für mich genau richtig.“ Gemütlich mit viel Holz und warmen Farben hat sie sich neu eingerichtet.
Dann geht es erst mal hinaus auf die Loggia, um Höhenluft aus 81 Metern zu schnuppern. Wer hier oben logiert, sollte besser schwindelfrei sein und ohne Angst nach unten schauen können. Angela Cichy tut das oft und freut sich jedes Mal neu über den Weitblick von ihrem bequemen Sessel aus. „Mein Sonnensitz im Grünen“, so nennt sie ihn. Und auf dem Geländer wacht der metallene Rabe Abraxas, dass sich keine Tauben einnisten.
„Alles hat seine Zeit"
Angela Cichy weist in alle Himmelsrichtungen und zählt auf: „Da drüben sieht man den Gasometer in Oberhausen, dort ist der Styrumer Aquarius, sogar ein Stück Ruhr bei der Nordbrücke kann ich sehen. Sogar das Geleucht auf der Halde Rheinpreußen Moers; das ist 17 km entfernt!“ Nur die Leineweberstraße, die sieht sie nicht. Denn die ist von oben einfach nur ein schöner, grüner Strich in der Landschaft; weder Geschäfte noch Fußgänger oder Autos sind zu sehen, so hoch sind die Bäume inzwischen an der Allee gewachsen.
Die ehemalige Lehrerin erinnert sich gern an alle Wohn-Stationen ihres Lebens und sagt rückblickend: „Alles hat seine Zeit. Als kinderloses Ehepaar wohnten wir im 6-Familien-Haus. Die Kinder haben wir großgezogen in einer Doppelhaushälfte mit Garten und Terrasse. Als sie aus dem Haus waren, wohnten wir zu zweit in einem „kleinen“ Hochhaus mit 24 Parteien. Nun bin ich allein hier eingezogen, in den „Forum Tower“ mit über 200 Wohnungen.“ Die 66-Jährige denkt auch schon eine Dekade weiter und stellt sich vor, wie sie auch als alter Mensch zu Fuß, vielleicht sogar mit Rollator, alle Dinge regeln kann, ohne Hilfe. „Alles fußläufig erreichbar, vor allem Bahnhof, Bus und U-Bahn.“ Ein ganz wichtiger Aspekt ist für Angela Cichy, dass ihre Kinder in der Nähe wohnen. Und wie bestellt, klingelt es, und Tochter Nadine mit Enkelkind Ben treten ein. „Wollen wir ein Eis essen gehen?“ Klar – ist ja nur mal eben dreizehn Stockwerke mit dem Lift runter. Und dann ist sie mitten im Leben.
Das Innenstadtleben liegt ihr zu Füßen
Im Iduna Hochhaus zu wohnen, käme für manche Mülheimer nicht in Frage.: ‚Was wohnen denn da für Leute? Da würde ich nie einziehen.‘ Diese Vorurteile hörte Angela Cichy. Die solches äußern, werden von ihr schnell eines Besseren belehrt. Der schlechte Ruf sei vielleicht irgendwann früher mal berechtigt gewesen. Aber es habe sich vieles geändert. „Ich wohne sehr gern hier! Die fantastische Aussicht auf Mülheim, auch vom Esstisch und von meinem Schreibtisch aus, die Nähe des Bahnhofs, die schönen Geschäfte, Restaurants und Cafés im Forum. Friseur, Arzt und Apotheke, alles direkt unter mir. Und natürlich die Ruhr mit Eiscafés, Promenade, Müga, alles ganz nahe. Was will ich mehr?“
Waren die Iduna-Hochhäuser mit ihrer typischen Architektur in den frühen 70er Jahren ein Einschnitt, aber auch eine Attraktion für Mülheim, so bröckelte der Fortschrittsglaube schon bald. Wenig Rühmliches über das Wohnen dort wurde vermeldet. Anonymität, gar Kriminalität und Dreck wurde hinter den von manchen als kalt empfundenen Mauern vermutet. Die Hochhäuser hatten ihren schlechten Ruf weg. Mieter wie Angela Cichy sorgen jetzt dafür, dass dies längst nicht mehr den Tatsachen entspricht.