Mülheim-Dümpten/Styrum. Heinz-Werner Czeczatka-Simon ist in Dümpten und Styrum unterwegs. Er wünscht sich mehr Helfer in der Nachbarschaft.

Seit der Kommunalwahl im Mai 2014 ist Heinz-Werner Czeczatka-Simon Bezirksbürgermeister im Norden der Stadt. Die Mitglieder der Bezirksvertretung 2 haben ihn in dieses Amt gewählt. Er leitet nicht nur die Sitzungen des Stadtteilparlamentes. Er ist auch sehr häufig in der Nachbarschaft unterwegs, um Anregungen der Bewohner aufzugreifen oder die Sorgen zu hören, was vor Ort nicht so gut läuft. Die WAZ traf ihn zum Sommergespräch.

Sind Sie urlaubsreif?

Heinz-Werner Czeczatka-Simon: Ein bisschen schon. Ich würde gern mal wieder eine Woche in die Berge fahren, um etwas Abstand zu haben. Sonst arbeite ich in meiner Freizeit viel an unserem Haus.

Machen Sie Urlaub von der Politik?

Czeczatka-Simon: Jetzt in den Ferien sind nur wenige offizielle Sitzungstermine. Aber wenn ich in den Stadtteilen unterwegs bin, sprechen mich die Leute an, ich höre ihnen zu und versuche zu helfen. Dafür gibt es nie Urlaub. Denn ich mache das gern.

Ist das für Sie eine neue Erfahrung, Bezirksbürgermeister zu sein?

Czeczatka-Simon: Vorher war ich Fraktionsvorsitzender der SPD im „Ortsparlament“. Als Bezirksbürgermeister nehme ich eine neutrale Position ein und will alle Parteienvertreter der Bezirksvertretung einbeziehen. Ich finde es gut, dass wir inzwischen eine gute Gesprächskultur gefunden haben, weil wir uns über wichtige Dinge im Stadtbezirk bereits vor den Sitzungen austauschen und uns einigen. Darum ist es heute völlig normal, dass Anträge von mehreren Fraktionen und Parteienvertretern getragen werden.

Was bedeutet das für den Bezirk?

Czeczatka-Simon: Beschließen wir eine Sache einstimmig oder mit einer großen Mehrheit, können die Bürger davon ausgehen, dass ein Projekt umgesetzt wird und eine große Mehrheit der Bezirksvertretung hinter dem Beschluss steht, es sei denn, ein Ratsausschuss kassiert unsere Entscheidung. Dann müssen wir vor Ort das den Anliegern erklären. Das ist manchmal nicht leicht.

Sind das die Tage, an denen Bürger am Gehalt demokratischer Entscheidungen zweifeln?

Czeczatka-Simon: Zur Demokratie gehört eine gute Diskussionskultur, die für eine Entscheidung eine tragfähige Mehrheit bringt. Jeder kann sich einbringen, für eine Sache werben und die anderen davon überzeugen. Gelingt das nicht im ersten Anlauf, muss auch ich mich ein zweites oder drittes Mal bemühen und neue Argumente vortragen.

Ist das nicht auch eine Art des Wahlkampfes?

Czeczatka-Simon: Vor einigen Jahren habe ich mich mal um den Posten des Bürgermeisters in einer Eifelstadt beworben. Wir sind damals zu einem guten Team zusammengewachsen. Die Gespräche mit den Bürgern haben mir gezeigt, dass mir viele zustimmten. Ich hatte damals ein gutes Gefühl. Aber als der politische Partner aus der Koalition ausstieg, reichte das nicht mehr zur Mehrheit für das Mandat. Das ist auch demokratisch, war aber überhaupt nicht fair.

Das kostet viel Kraft. Scheuen viele Menschen diese Anstrengung?

Ein handwerklich begabter Familienvater

Heinz-Werner Czeczatka-Simon (57 Jahre) ist von ganzem Herzen Styrumer. Auch andere Stadtteile hätten ihre Eigenheiten, an denen die Bewohner hängen. Als ehemaliger Verwaltungsmann kennt er seit Jahren Abläufe in der Komunapolitik und ihre Möglichkeiten.

Der Sozialdemokrat war bis Mai 2014 Vorsitzender der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung 2. Im Juni danach wählte ihn das Stadtteilparlament zum Bezirksbürgermeister. „Das ist eine neue Aufgabe für mich gewesen. Aber sie macht mir viel Spaß.“

Czeczatka-Simon ist verheiratet und hat zwei Kinder. Ist er nicht im Bezirk unterwegs oder auf Sitzungen, renoviert er sein Haus. „Irgendwann werden wir fertig.“

Ein Hobby begleitet die Familie seit Jahren: die Papageien. Er zeigt die bunten Tiere auf Ausstellungen und bei den Treffen der Mülheimer Vogelfreunde.

Czeczatka-Simon: Es lohnt sich immer, sich für seine Nachbarn, einen Verein, eine Gemeinde, eine Partei oder für eine Sache einzusetzen. Niederlagen sind die Chance, einen neuen Weg zu finden. Wir brauchen viel mehr ehrenamtliches Engagement. Sonst bekommen viele Organisationen und Vereine bald große Nachwuchsprobleme. Gerade die Stadtteile leben vom Engagement der Leute. Mehr geben und dafür etwas zurück zu bekommen – das sind doch schöne Erlebnisse. Davon wird eine Gesellschaft getragen.

Gibt es Unterschiede zwischen Dümpten und Styrum?

Czeczatka-Simon: Beide gehören zu den bevölkerungsreichsten Stadtteilen. In beiden engagieren sich viele Bewohner. Die Dümptener haben einen tollen Bürgerverein, der in Styrum fehlt. Dort arbeitet der Geschichtsgesprächskreis die Styrumer Vergangenheit auf. In Dümpten ist das noch eine spannende Aufgabe.

Einkaufsmöglichkeiten – auch internationale – gibt es genug. Große Märkte haben die kleinen Nahversorger leider verdrängt. Dafür brauchen wir eben noch mehr Nachbarschaftshelfer, die mal Kartoffeln oder Sprudel mitbringen. Sportlich sind beide Stadtteile prima und haben bereits mit der Integration von Flüchtlingen in ihren Mannschaften begonnen.

Eine dezentrale Verteilung der Flüchtlinge fördert die Integration 

Ist die Verteilung der Flüchtlinge auf das Stadtgebiet ausgewogen?

Czeczatka-Simon: Wir werden in den nächsten Monaten dazu kommen. Wir drei Bezirksbürgermeister reden schon darüber, so wie wir uns auch über andere Notwendigkeiten in den Stadtteilen austauschen. Styrum hat noch ein Übergewicht. Das wird sich bald ändern. Die aktuelle Unterbringung zeigt das bereits. Massenunterkünfte sind aber keine Lösung. Eine dezentrale Verteilungen in Wohnungen wäre besser, senkt die Kosten und erleichtert die Integration. Viele dieser Menschen haben schlimme Zeiten durchgemacht. Darum müssen wir sie willkommen heißen.

Warum arbeiten und engagieren Sie sich für diese Stadt?

Czeczatka-Simon: Ich mag diese Stadt, sie hat eine Menge zu bieten. Man kann hier gut leben. Wer nur meckert, immer alles schlecht redet, der sollte sich einen anderen Wohnort suchen oder an der Gestaltung mitwirken. Jeder kann helfen und dafür werben, Verbesserungen in seinem Sinne zu verwirklichen. Darum möchte ich meinen Beitrag dazu leisten. Mülheim bietet mir viel, also möchte ich auch zurückgeben. Als meine Kinder noch klein waren, habe ich mich in Elternbeiräten von Kindergarten und Schulen eingebracht. Kinder sind unsere Zukunft, daher sollten wir uns alle für ihre gute Ausbildung einsetzen – politisch und gesellschaftlich.

In Bildung ist das Geld gut angelegt 

Gehört das groß angelegte Sanierungsprogramm Schulen dazu?

Czeczatka-Simon: Ja. Gleich an mehreren Standorten im Bezirk 2 haben wir in Verbindung mit dem Brandschutz Klassenräume saniert, neue Küchen für den Ganztagsbetrieb eingerichtet. Das kostet viel Geld. Es ist gut angelegt.

Brandschutzauflagen trafen auch die Feldmannvilla. Was passiert?

Czeczatka-Simon: Wir haben in der Bezirksvertretung alle notwendigen Beschlüsse gefasst. Viele Bürger haben für eine zweite Sicherheitstreppe gespendet. Wenn alles klappt, bleibt in diesem Jahr noch Geld übrig, sonst wird es sofort in den Haushalt 2016 bereitgestellt. Im nächsten Jahr wird umgebaut und der Betrieb kann wieder uneingeschränkt laufen.

Wird die Einstellung der Straßenbahnlinie 110 auf dem Syrumer Abschnitt ein Verlust sein?

Czeczatka-Simon: Straßenbahnen müssen überall dort fahren, wo sie viele Menschen transportiert. Steigen nur wenige ein, reicht ein Bus als Zubringer. Die neue Buslinie 130 kommt von Oberhausen, fährt am Naturbad vorbei, bindet die Siedlung zwischen Eisenbahn und Autobahn an, das Styrumer Schloss und fährt zum Hauptbahnhof. Das bringt Vorteile und hoffentlich mehr Fahrgäste.

Was wünschen Sie für die Zukunft?

Czeczatka-Simon: Die Bezirksvertretungen sollten im Gefüge der Stadtgestaltung mehr Gewicht bekommen, weil wir in den Stadtteiteilen einfach näher dran sind. Wer das Amt des Bezirksbürgermeisters so vorlebt, wie es in der Verfassung steht, der hat einen Vollzeitjob. Ohne die engagierten Helfer in der Bezirksverwaltungsstelle und der Fachverwaltung, die uns Politiker mit ihrem Fachwissen unterstützen, stünden wir noch vor ganz anderen Hürden. Die Bezirksvertretungen sollten in Zukunft mehr Geld verwalten können und selbstständiger werden. Das ist noch ein langer Weg.

Was braucht Mülheim in den nächsten Jahrzehnten?

Czeczatka-Simon: Ein Schuldenabbau wäre schon gut. Das dürfen wir nicht unseren Kindern anhängen. Mehr junge Leute sollten sich einsetzen und mitwirken. Jeder kann ein Ehrenamt übernehmen – auch in der Politik. Wir dürfen nicht darauf warten, was die Stadt für uns tut. Was kann ich für die Gemeinschaft tun?, sollte sich jeder fragen. Aufgaben, die einem sogar Spaß machen, gibt es genug. Viele Mitmenschen unterschätzen, wie wichtig ihre Meinung und ihre Mitarbeit ist.