Mülheim. . Tierschützer sagen, die Zahl der Kanadagänse ist in Mülheim nicht hoch und bleibe seit Jahren konstant. Landwirte hingegen argumentieren, dass ihre Flächen durch die Tiere Schaden nehmen.

Am 15. Juli endete ihre Schonzeit, ab Donnerstag, 16. Juli, dürfen sie nach dem Jagdgesetz abgeschossen werden: die Kanadagänse. Dabei, so sind sich mehrere Stellen in Mülheim einig, bleibe die Anzahl der Kanadagänse hier seit einigen Jahren konstant. „Außerdem verzeichnen wir in diesem Jahr auffallend wenig Nachwuchs“, sagt Christine Kowallik, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Biologischen Station Westliches Ruhrgebiet. Rund 300 bis 350 der Wasservögel lebten derzeit in Mülheim. Das deckt sich mit den Beobachtungen von Ruth Küchler von der Interessengemeinschaft zum Schutz der Kanadagänse. Sie sagt: „Wir haben kaum Jungtiere. Die Population in Mülheim ist sowieso nicht sonderlich groß, da haben andere Städte deutlich mehr.“

Dennoch werden während der Jagdperiode auch in Mülheim Kanadagänse abgeschossen. 108 Tiere waren es laut Unterer Jagdbehörde in der Saison 2014/2015, darunter auch je zwölf Nil- und Graugänse. Stadtpressesprecher Volker Wiebels erklärt: „Der Abschuss geschieht zumeist auf Veranlassung der Landwirte, die die Jagdpächter dafür einschalten.“

Einer von ihnen ist Landwirt Karl-Wilhelm Kamann, der Felder in Winkhausen und Fulerum bewirtschaftet. „Die Kanadagänse sind zu Hauf da“, sagt Kamann: „Die fressen die Saat ab, am liebsten von Weizen und Raps.“ In seinen Augen ist „die Zahl der Gänse rapide gewachsen. Die Landwirtschaft hat Schaden genommen.“ Deshalb schließt Kamann, selbst Jäger, nicht aus, dass er mit Jagdkollegen auf die Felder gehen wird, um einige der Tiere zu schießen.

Füttern mit Brot verschärft das Problem

Eine „Sauerei“ ist das für Gänseschützerin Ruth Küchler – insbesondere die Tatsache, dass die Wasservögel nach der Änderung der Schonfrist schon jetzt im Sommer, und nicht erst ab dem Herbst bejagt werden dürfen. „Die Tiere sind zurzeit teils noch flugunfähig. Durch die Mauser haben sie ihre Schwungfedern verloren.“ Diese Einschätzung teilt Gänse-Expertin Christine Kowallik: „Zudem sind die Jungen noch nicht selbstständig und kommen ohne ihre Eltern noch nicht klar.“

Generell hätten die Gänse natürliche Feinde, wie etwa den Fuchs, zudem seien die Brutplätze und Nahrungsflächen mit der derzeitigen Größe der Population nahezu ausgeschöpft, was die Tiere dazu veranlasse, weniger Eier zu legen. „So regelt sich jede Population selbst“, verdeutlicht Landschaftsökologin Christine Kowallik und sagt: „Aus biologischer Sicht ist es nicht nötig, die Gänse zu bekämpfen.“ Gleiches denkt Landschaftswächterin Karin Piek: „Ich habe selbst zehn Jahre an den Vogelzählungen teilgenommen. Der Bestand hier ist gleichbleibend. Schlimm ist aus meiner Sicht, dass der natürliche Feind Fuchs ganzjährig bejagt wird.“

Einig sind sich alle aber darin: Die Kanadagänse mit Brot und ähnlichem zu füttern, sie also an den Menschen und die einfache Nahrungsbeschaffung zu gewöhnen, verschärfe das Problem nur.

An der Stadthalle: Zaun hält Gänse von den Grünflächen fern 

„Es funktioniert“, sagt MST-Geschäftsführerin Inge Kammerichs über den Zaun, den sie vor etwa zwei Jahren an der Stadthallenterrasse anbringen ließ, um die Kanadagänse davon abzuhalten, auf die angrenzenden Grünflächen zu ziehen. Keine Gans sei mehr zu sehen, stattdessen, freut Inge Kammerichs: „Endlich wieder Menschenleben. Kinder, die über die Wiesen laufen, ohne ständig in Schlangenlinien dem Gänsekot ausweichen zu müssen.“

Bevor der Zaun da war, habe sie an manchen Tagen über 180 Tiere im Stadthallengarten und auf den Wiesen der Müga gezählt. Bei der Entscheidung, wie man die Kanadagänse fernhalten könne, habe die MST damals fachmännischen Rat eingeholt, blickt die Chefin des Stadtmarketings zurück. „Unter den Zäunen leiden die Tiere nicht, sie orientieren sich neu, wenn sie merken, dass sie dort nicht mehr hinkommen. Wir habe ja viele Ausweichflächen“, hat Inge Kammerichs beobachtet.