Mülheim. . Der Kita-Streik geht weiter. Täglich nimmt die Stadt dennoch 8000 Euro an Elternbeiträgen plus Verpflegungsgeld ein. Eine Rückzahlung sieht die Satzung nicht vor.
Erneut bilden Erzieherinnen und Eltern Menschenketten, diesmal auch um das Technische Rathaus. Bei Eltern macht sich erster Unmut bemerkbar. Der Streik belastet, wie beispielhaft eine Mutter aus Dümpten berichtet: Ihre Arbeitsschichten habe sie bislang immer noch mit Kollegen nach Bedarf tauschen können, ebenso ihr Mann.
Die Oma springt seit zwei Wochen mit ein, ebenso die Nichte. „Die ganze Familie hilft bei der Betreuung der dreijährigen Tochter.“ Ihre Kita gehört zu den bestreikten in der Stadt. Wie lange die Familie das noch durchhält, sei fraglich. Selam Kaplan, eine Mutter von drei Kindern aus Stadtmitte, spricht vom „reinsten Stress“ im derzeitigen Familienleben. Streik bis zum Sommer – sie mag nicht daran denken, auch wenn sie betont, dass die Arbeit der Erzieherinnen auf jeden Fall mehr wert sei.
Stadt fürchtet Signalwirkung für andere Branchen
270 Erzieherinnen und Erzieher waren gestern wieder im Ausstand. „Es werden immer noch täglich mehr“, sagt Dirk Neubner, Vorsitzender des Mülheimer Personalrates. Er gesteht aber auch: Es ist nicht der Streik, der langsam zermürbend wirke, sondern die sture Haltung der Arbeitgeber, der Kommunen.
Zweifel, dass die Streikbereitschaft nachlassen könnte, hat er nicht. Empörend empfindet er, dass die Arbeitgeberseite sich gar nicht rührt. Gehe es so weiter, sei ein Streik bis zu den Sommerferien durchaus denkbar. Der Personalrat, die Gewerkschaft und die Erzieherinnen sehen sich als eine Art Eisbrecher. „Es geht hier um eine grundsätzliche gesellschaftliche Frage“, sagt Neubner, und die lautet: Ist die Arbeit mit und an Menschen weniger wert als etwa an einem Pkw? Als sicher gilt: Setzen sich die Erzieherinnen mit der Aufwertung ihrer Arbeit durch, werden auch andere Branchen nachziehen wollen. Das fürchten die Kommunen.
Satzung sieht keine Rückerstattung der Elternbeiträge vor
Im Rathaus hat man errechnet, dass die Aufwertung der Arbeit, so wie sie die Erzieherinnen fordern, die Stadt Mülheim im Jahr mindestens 2,6 Millionen nach Gewerkschaftsberechnung, oder sogar 5,2 Millionen Euro im Jahr kostet, wenn die Berechnung der Arbeitgeberseite zugrunde gelegt werde. „Jedes Prozent mehr Lohn für die Erzieherinnen kostet im Jahr 260.000 Euro“, so Stadtsprecher Volker Wiebels.
913 Kinder erhalten eine Notbetreuung
Vom Streik sind alle 39 städtischen Kindertageseinrichtungen massiv betroffen. Die Stadtverwaltung hat durch die Einrichtung einer Notbetreuung in 13 Einrichtungen versucht, die Belastung für Eltern abzumildern. Eine Notbetreuung erhalten derzeit 913 Kinder.
Wie lange die Notbetreuung aufrechterhalten werden kann, hängt davon ab, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tatsächlich zur Verfügung stehen.
Die Stadtverwaltung hat selbst keinen Einfluss auf Ausmaß und Dauer der Streikmaßnahme.
Täglich nimmt die Stadt 8000 Euro an Elternbeiträgen für eine Kitabetreuung ein. Hinzu kommen täglich 3875 Euro an Verpflegungsgeld. Eltern fordern eine Rückerstattung. In einer schriftlichen Vorlage empfiehlt die Stadt jedoch dem Jugendhilfeausschuss, der am kommenden Montag tagt, das Betreuungsgeld den Eltern nicht zu erstatten, wohl aber das Essensgeld für die Mittagsmahlzeiten ab dem ersten Streiktag.
„Grundsätzlich kommt eine anteilige Rückerstattung von Elternbeiträgen für die Zeit einer streikbedingten Schließung aufgrund der Beitragssatzung nicht in Betracht“, heißt es aus der Stadtverwaltung. Auch sei davon auszugehen, so die Stadtspitze, dass bei der derzeitigen Haushaltssituation in Mülheim die Bezirksregierung einer Erstattung kritisch gegenüber stehen werde. Das letzte Wort in der Sache hat der Stadtrat.