Mülheim. Seit heute beteiligen sich in Mülheim rund 250 Erzieherinnen und Sozialarbeiter am Ausstand. Eine Menschenkette rund ums Rathaus ist geplant.
Der Ausstand kommt mit Ansage, und heute wurde es ernst: Etliche Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst haben die Arbeit niedergelegt, sie rüsten sich für einen langen Streik. Insgesamt sind in Mülheim etwa 500 Mitarbeiter(innen) vom festgefahrenen Tarifstreit betroffen. Etwa 250 trugen sich am Montag in der Styrumer Gaststätte Union in die Streiklisten ein, eine Beteiligung, mit der die Gewerkschaft Verdi auch gerechnet hatte.
Von Seiten der Stadt waren Notdienst-Pläne aufgestellt worden, die nun greifen. Sie betreffen außer den Kitas auch den Kommunalen Sozialen Dienst und den sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes. Bis auf Weiteres...
„Wir bereiten uns auf eine lange, harte Auseinandersetzung vor“, sagt Dirk Neubner, Vorsitzender des städtischen Personalrates und Mitglied der Bundestarifkommission, „und die kann nicht hier im Streiklokal gewonnen werden, sondern wir müssen unsere Schwerpunkte in der Öffentlichkeit präsentieren.“
Aktionsplan reicht bis in die kommende Woche
Ein Aktionsplan wurde entwickelt, der bis in die kommende Woche hinein reicht und vor allem dazu dienen soll, Verbündete zu gewinnen. „Wir wollen die Kommunalpolitiker in die Pflicht nehmen und möglichst zusammen mit betroffenen Eltern und Kindern aktiv werden“, kündigt Neubner an.
So soll eine Menschenkette rund um das Historische Rathaus gebildet werden. Anfang der nächsten Woche ist außerdem ein „Soli-Fest“ in der Feldmann-Stiftung geplant, zu dem neben Familien auch Vertreter der örtlichen Politik eingeladen werden. Bereits am Montag wurden im Haus Union Plakate vorbereitet und Streikposten eingeteilt, die sich ab heute früh, sieben Uhr, vor den Türen der 13 Kitas positionieren, die Notfallgruppen anbieten.
Zu ihnen gehört das Familienzentrum „Burg Wackelzahn“ an der Sellerbeckstraße, dessen Stammbelegschaft sich allerdings fast komplett im Ausstand befindet. „Von 14 Beschäftigten streiken 12“, berichtet Matthias Zimmermann, der dort als Erzieher tätig ist und offenbar nicht leichten Herzens den Dienst verweigert. „Man ist schon hin- und hergerissen“, meint der 32-Jährige mit neunjähriger Berufserfahrung, „gerade bei einem unbefristeten Streik. Denn die Eltern sind ja auf die Betreuung angewiesen.“
Kampf für mehr Wertschätzung
Doch angesichts wachsender Ansprüche an ihre Arbeit müsse auch die Wertschätzung steigen, dafür kämpfen sie. „Wir leisten inzwischen viel Vorarbeit für die Grundschulen, und das muss sich auch in der Bezahlung niederschlagen.“
Dass sich die Streikenden teilweise sehr gut in die Situation betroffener Familien hinein versetzen können, zeigte sich ebenfalls. So hatte eine Erzieherin ihre kleinen Töchter, drei und fünf Jahre alt, mit ins Haus Union gebracht, wo sie munter Plakate malten. Die Kita der Mädchen wird bestreikt.
Betreuung unter erschwerten Bedingungen
Für viele Eltern und jüngere Kinder beginnt die Woche unter erschwerten Bedingungen. Es wird gestreikt, organisiert, improvisiert: „Viele Familien helfen sich jetzt gegenseitig, manche nehmen Urlaub“, berichtet etwa Julia Deckers vom Elternrat der Kita „Sternenzauber“. Besonders schwer falle es, die Ein- oder Zweijährigen in Notgruppen zu geben.
Möglich ist dies sowieso nur, wenn bereits vor einer Woche dringender Betreuungsbedarf angemeldet wurde. 913 Familien taten es, 13 Kindertagesstätten stehen zur Verfügung, nach Angaben der Stadt sind 200 Erzieherinnen im Einsatz. Alle zählen zur regulären Belegschaft, „Aushilfen mussten zur Überbrückung der Streikphase bislang nicht eingestellt werden“, erklärt Dagmar Siepermann vom Amt für Kinder, Jugend und Schule. Nur an der Barbarastraße seien zwei Erzieherinnen über eine Zeitarbeitsfirma beschäftigt, dies allerdings schon länger.
Wenn möglich, bleiben die Kleinen mit Erzieherinnen aus ihrer vertrauten Einrichtung zusammen, betont Siepermann. Dennoch treffen in den Notgruppen Mitarbeiterinnen und Kinder zusammen, die sich nicht kennen. So hat Heike Küßner, eigentlich Leiterin der „Menschenskinder“ an der Zunftmeisterstraße, die Regie im „Fidelbär“ übernommen, wo momentan knapp 50 Kinder aus vier verschiedenen Einrichtungen unterkommen, vom Kleinst- bis zum Vorschulkind.
Jugendhilfeausschuss entscheiden über Erstattung
Nach dem ersten Notdienst zog Küßner ein positives Resumee: „Wir mussten viel organisieren, weil sich auch das Team nicht kannte, und haben uns morgens bei der Ankunft viel Zeit genommen.“ Tränenreiche Szenen habe sie aber nicht erlebt. „Bis jetzt hat alles gut funktioniert.“ Viele Eltern bemühten sich auch, ihren Nachwuchs früher abzuholen als gewohnt.
Ob Familien, die keine Notbetreuung nutzen, ein Teil der Kita-Beiträge erstattet wird, soll Anfang Juni der Jugendhilfeausschuss entscheiden. Gleiches gilt für das Essensgeld. Denn mittags bleibt derzeit überall die Kindergartenküche kalt.