Mülheim. . Der Mülheimer Dramatiker-Wettbewerb schreibt ein Stück zeitgenössische Theatergeschichte. Vom 16. Mai bis 4. Juni gastieren zum 40. Mal Bühnen und Autoren von Ruf in der Stadt.
1976 ins Leben gerufen, schreibt der renommierte Mülheimer Dramatiker-Wettbewerb selbst ein Stück zeitgenössische Theatergeschichte. Vom 16. Mai bis 4. Juni gastieren wieder Bühnen und Autoren von Ruf in der Stadt. Stephanie Steinberg, langjährige Stücke-Dramaturgin, leitet das Festival im zweiten Jahr eigenverantwortlich. Für sie ist diese 40. Ausgabe eine ganz Besondere. Ihr Gefühl mitten in geordnet-turbulenten Vorbereitungen: „Vorfreude wie beim Kofferpacken für eine große Reise.“
Es war wohl noch nie da, dass es diesmal bei den eingeladenen Autoren und Stücken gleich vier Überschneidungen mit dem Berliner Theatertreffen gegeben hat.
Nach Berlin sind die zehn bemerkenswertesten Theaterabende der Saison eingeladen. Und für vier davon haben zeitgenössische Autoren die Basis geschaffen. Ich sehe darin die Bestätigung dafür, dass die zeitgenössischen Autoren fürs Theater unverzichtbar sind. Da wird es offenbar. Im Theater gibt es eine große Überzahl von Klassiker-Inszenierungen. Aber wenn vier der besten Inszenierungen einen aktuellen Theatertext haben, ist das ein Zeichen, das unsere Überzeugung und unser Mülheimer Konzept bestätigt: dass wir hier das Beste zeigen, was es an szenischer Literatur gibt.
Eine Vertreterin des NRW-Kulturministeriums hat erneut die Bedeutung der Mülheimer Theatertage unterstrichen. Sie hob auch die gute Entwicklung der Kinder-Stücke hervor. Schreiben Autoren wie Sibylle Berg, deren Stücke auf den Abend-Spielplänen stehen, vermehrt Kinder-Stoffe?
Wie hat Werner Mink, Sprecher des Auswahlgremiums der Kinder-Stücke, so schön gesagt: Noch nicht den Kinderschuhen entwachsen, aber die Schritte werden größer. Für das Jubiläum hat das Ministerium zusätzlich als Geschenk einen Stückauftrag überbracht. Für den Gewinner des Kinder-Stücke-Preises ist das zudem eine große Ehrung und Förderung.
Sechs der sieben Stücke spielen diesmal im Theatersaal und auf der Studiobühne der Stadthalle?
Das liegt an den großen Bühnen und den technisch aufwendigen Produktionen. Wir haben diesmal vier große Stücke in der Stadthalle. In „Homo Empathicus“ sind 25 Leute auf der Bühne. Das ist auch eine Besonderheit, weil das komplette Ensemble vom Deutschen Theater Göttingen in dieser Inszenierung mitspielt.
Die Bühnen für die Jelinek-Stücke sind meist gigantisch. Ist das bei den „Schutzbefohlenen“ vom Thalia Theater in Hamburg auch so?
Ja, Nicolas Stemann (Regie und Bühne) arbeitet in der Regel mit der komplett offenen Bühne – bis hin zu allen Brandmauern, so dass die Bühne als Arbeitsraum mitspielt. Sehr raumgreifend. Es sind fahrbare Elemente dabei, die eine Stacheldrahtmauer symbolisieren. Und der Chor ist ganz groß: 25 Personen, die zu dem Flüchtlingschor gehören.
Es sind reale Flüchtlinge in der Hamburger Aufführung?
Es sind Flüchtlinge, die in Hamburg leben und zum großen Teil der dortigen Lampedusa-Gruppe angehören. Es ist der ausdrückliche Wunsch von Nicolas Stemann und das versuchen wir auch umzusetzen, Mülheimer Flüchtlinge in die Produktion mit einzubeziehen und sie mitwirken zu lassen. Die wirklichen Themen, die für Flüchtlinge in einer Stadt relevant sind, sollen so mit eingebunden werden.
Apropos Stadthalle. Die Vorstellungen in der Studio-Bühne im vergangenen Jahr haben nicht wenige Zuschauer mit Rückenschmerzen verlassen. Dürfen sie sich diesmal auf bequemere Sitze freuen?
Wir arbeiten daran. Geprüft wird derzeit, ob es möglich ist, eine bequemere Bestuhlung zu schaffen.
Es ist auch ein neues Moderatoren-Team der Publikumsgespräche am Start?
Ja, wir arbeiten erstmals mit zwei Moderatoren: Beide sind in Mülheim noch nicht bekannt, wohl aber in der Theaterwelt. Es sind zwei renommierte Theaterkritiker, die zudem erfahrene Hörfunkmoderatoren sind und Podiumsgespräche kennen. Christoph Leibold moderiert die ersten drei Produktionen, dann übernimmt Michael Laages die anderen vier.
Vorjahres-Moderator Tilmann Raabke war nicht unumstritten und nur eine Saison dabei.
Das war von vorn herein auf ein Jahr angelegt und ist auch der Tatsache geschuldet, dass er als Chefdramaturg am Theater Oberhausen gebraucht wird. Denn es hat sich gezeigt, dass die Moderatorentätigkeit ein Fulltime-Job ist, der die komplette Arbeitskraft für diese Zeit erfordert. Das ist jetzt bei den beiden Moderatoren der Fall.
Ist die 40. Ausgabe des Festivals eine besondere Herausforderung?
Herausforderung klingt immer so nach Anstrengung, aber es ist vor allem ein schöner Anlass zu feiern. Und wir haben allen Grund zu feiern, weil wir in Mülheim mit diesem Festival eine lückenlose Dokumentation über die Entwicklung des Gegenwartstheaters vorlegen. Das sind 40 Jahre und in jedem Jahr waren in Mülheim immer die jeweils besten Stücke der Saison da. Wenn man sich das anguckt, dann ist das wirklich eine ganz kostbare Sammlung – auch von theaterhistorischem Wert.
Eine Neuerung gibt es in der Kooperation mit dem Medienhaus?
Darüber freuen wir uns sehr. Wir haben verstärkt versucht, mit Partnern in der Stadt zu kooperieren. Mit der Stadtbibliothek gibt’s eine ganz schöne Geschichte: Am 13. Mai wird die Ausstellung zu den Theatertagen eröffnet. Wir stellen Fotos von allen 39 bisherigen Preisträgerstücken und einiges mehr aus. Belebt und begleitet wird die Ausstellung von zwei Lesungen. Autor Dirk Laucke, der mit „Furcht und Ekel“ zum Festival eingeladen ist, hat vor kurzem seinen ersten Roman „Mit sozialistischem Grusz“ veröffentlicht, aus dem er zur Eröffnung lesen wird.
Geht die Reihe im Medienhaus über die „Stücke“ hinaus weiter?
Ja, die Reihe soll über das ganze Jahr gehen, so dass man regelmäßig Mülheim Dramatiker, die zu den „Stücken“ eingeladen waren oder eingeladen werden könnten, kennenlernen kann.