Mülheim. Aktuell läuft die Woche der Ausbildung: Fünf Jugendliche berichten über erfolgloses Bewerbungenschreiben und ihre Perspektiven jenseits der Absagen.
Als Matthias erzählt, dass er einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat – zu 99,9 Prozent zumindest – da applaudieren die anderen Jungs. Sie sind so etwas wie eine Schicksalsgemeinschaft geworden, hier bei der BBWE, der Gemeinnützigen Gesellschaft für Beratung, Begleitung und Weiterbildung.
Göran, Ahmed, Alexander, Sherif und (bis vor Kurzem auch) Matthias haben bislang keinen Ausbildungsplatz bekommen und machen deshalb derzeit bei der Einrichtung eine berufsvorbereitende Maßnahme. Göran Krems möchte beruflich in Richtung Informationstechnologie gehen, nach einer Ausbildung dann an einer Fachhochschule studieren. Computer haben es dem 23-Jährigen angetan. „Da hab ich mich selbst eingearbeitet“, sagt er. Dass es bislang noch nicht geklappt hat mit einer Lehrstelle, lag an seinen Vermittlungshemmnissen, wie es Bildungsbegleiterin Irmhild Steffl nennt. Gehemmt war Göran tatsächlich, der junge Mann war extrem schüchtern. „Daran haben wir hier gearbeitet“, berichtet Irmhild Steffl. Im Gespräch wirkt Göran jetzt offen und kontaktfreudig.
"Mein großes Ziel ist ein IT-Studium"
Das ist Ahmed Berisha von Natur aus. 18 Jahre alt ist er und hat eine Vorliebe für Autos. „Ich möchte Kfz-Mechatroniker werden“, sagt er. Am Berufskolleg hat er im Kfz-Zweig seine Fachoberschulreife erworben – mit einem guten Zeugnis, wie Irmhild Steffl anmerkt. Trotzdem ging er bislang leer aus in Sachen Ausbildung. „Die Konkurrenz ist einfach zu groß“, sagt Ahmed, alle wollten ins Kfz-Gewerbe. Weil der 18-Jährige so leutselig ist, haben ihm seine Kollegen aus der BBWE-Maßnahme nun vorgeschlagen, es als Auto-Verkäufer zu versuchen. Keine schlechte Idee, findet Ahmed.
Einen „Plan B“ zu haben, das gehört hier zum Konzept. „Alles ist besser, als im Sommer, wenn die Maßnahme endet, nichts zu haben“, bringt es Irmhild Steffl auf den Punkt. „Ich wünsche es keinem in der Luft zu hängen“, sagt Alexander Günther. Der 21-Jährige weiß, wovon er spricht. Anderthalb Jahre lang hat er sich beworben – und nur Absagen erhalten. „Als ich bei Firmen nachgefragt habe, warum sie mich nicht nehmen, hieß es oft, ich hätte mich zu schlecht dargestellt“, erzählt der junge Mann. Dabei hat er auf dem Gymnasium mit seinem Lehrer zusammen bereits Apps programmiert und kann Kenntnisse in mehreren Programmiersprachen vorweisen. Auch er will in den IT-Bereich: „Mein großes Ziel ist ein IT-Studium.“
"Ich habe gerne mit Menschen zu tun"
Studieren wollte eigentlich auch Sherif Heidrich. In Ägypten, seinem Geburtsland, hat der 20-Jährige das amerikanische Abitur erworben, mit einem Einser-Zeugnis, wie er erzählt – doch das wird in Deutschland nicht anerkannt. Hier, im Land seines Vaters, ging er weiter zur Schule, aufs Gymnasium Heißen. Mit dem Abitur hat es nicht geklappt, Sherif ist mit der Fachoberschulreife abgegangen. Auch er möchte Kfz-Mechatroniker werden, hat fast 80 Bewerbungen geschrieben und bereits ein Praktikum bei Ford gemacht. Ein Praktikum, vermittelt durch die BBWE, war es auch, was Matthias die Tür geöffnet hat zu seinem zukünftigen Ausbildungsbetrieb. In einer Firma im Mülheimer Hafen wird der 20-Jährige eine Lehre zum Speditionskaufmann beginnen – sobald aus den 99,9 Prozent ganze 100 Prozent geworden sind.
Über 100 Bewerbungen hat Anne Petersmann verschickt – eine Ausbildungsstelle hat die 23-Jährige trotzdem noch nicht. „Wahrscheinlich liegt es daran, dass ich meine erste Ausbildung nicht bestanden habe“, schätzt sie. Eigentlich hatte Anne vor, Erzieherin zu werden, hat den theoretischen Teil der Ausbildung auch bestanden, ist aber in der Praxis durchgefallen. „Die Kinder hatten mich lieb, aber ich konnte mich wohl nicht gut genug durchsetzen.“ Jetzt strebt die Mülheimerin, die Fachabitur hat, eine Ausbildung im Einzelhandel oder im Büromanagement an. „Ich habe gerne mit Menschen zu tun“, sagt sie. Zurzeit macht Anne Petersmann eine Maßnahme bei der Deutschen Angestellten-Akademie, wo sie etwa auf Bewerbungsgespräche vorbereitet wird.
Arbeitgeber, die Interesse an den hier vorgestellten Ausbildungsplatzsuchenden haben, können sich beim Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit melden: 0800/4 5555 20.