Mülheim.. In der Aldi-Filiale in Holthausen sind derzeit nur Auszubildende im Einsatz, und das fünf Wochen lang. Sogar der Chef ist Lehrling.
Der Nachwuchs probt den Ernstfall: Die Aldi-Filiale an der Essener Straße ist zurzeit fest in Azubi-Hand. 17 Lehrlinge schmeißen den Laden – fünf Wochen lang, in zwei Gruppen und ganz in Eigenregie. Auch der Filialleiter ist noch ein Auszubildender, der Chefposten wird allerdings täglich neu besetzt. „Damit jeder mal seine Führungsfähigkeit im Alltag erproben kann“, sagt Sven Janz, der normalerweise hier das Zepter in der Hand hält.
Jetzt sind er und Ferhat Arslan, ein Kollege aus Duisburg, aber zum reinen Beobachten verdammt. „Wir dürfen gar nicht eingreifen, allerhöchstens Mal eine schwierige Frage beantworten. Die Azubis sollen im Team arbeiten und alles selber organisieren“, erklären sie. Fehler sind dabei eingeplant, weil sie lehrreich sein können. Wer an einem Tag zum Beispiel zu viele Gurken bestellt, merkt es am Folgetag – am übrig gebliebenen Grünzeug.
Einzelhandelskaufleute wollen die jungen Projektteilnehmer werden, sie sind alle im dritten Ausbildungsjahr. „Es ist toll, dass wir hier die Gelegenheit erhalten, alles das zu machen, was ein Filialeiter so tut. Wir setzen das Gelernte um, tragen Verantwortung und arbeiten im Team“, berichtet Martin Marzian (23), der verwundert ist, wie viel Büroarbeit der Führungsjob mit sich bringt. Kassenabrechnung, Bestellung, Qualitätskontrolle oder auch Tresorführung – vieles muss von den Azubis erledigt werden. Denn: Alles soll hier so funktionieren wie immer. Und das, obwohl das gesamte Stammpersonal der Filiale ja Urlaub genommen hat oder in anderen Filialen mitarbeitet.
In der Personalküche steht Sehriban Kücük am Herd und brät Chicken Nuggets. Gegen Mittag wird nämlich gemeinsam gegessen und dabei auch gefachsimpelt. Nur diejenigen, die gerade an der Kasse sitzen, können natürlich nicht dabei sein. „Das Projekt ist hilfreich, die Meisten von uns haben ja das Ziel, später einmal eine Filiale zu leiten“, sagt die 21-Jährige.
Den anderen sagen, wo es lang geht
Dass derjenige, der das Team anführt, konsequent sein muss und den anderen auch mal sagt, wo es lang geht, haben die Azubis vorher besprochen. In einer Seminarwoche, die dem Projekt vorausging, haben sie sich zudem viel Fachwissen angeeignet und sich noch einmal vergegenwärtigt, wie wichtig Freundlichkeit und Kulanz gegenüber den Kunden sind.
Die meisten Einkäufer, die regelmäßig in der Filiale an der Essener Straße vorbeischauen, haben schon mitbekommen, dass momentan hier nur Azubis am Werk sind. „Viele Kunden sind nett und fragen uns, wie es so läuft“, berichtet Sehriban Kücük.