Mülheim. Aus Anlass der bundesweiten Woche der Ausbildung machten Jürgen Koch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen, und Henrike Greven, Vorsitzende des Verwaltungsausschusses der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen und zugleich Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim/Oberhausen eine Tour durch Mülheimer Unternehmen.

Eigentlich wollten die Thons in diesem Jahr eine Pause machen, nach über 20 Jahren mal nicht ausbilden und etwas kürzer treten in ihrem Betrieb, dem traditionsreichen Restaurant Ratskeller. Doch da haben sie die Rechnung ohne Jürgen Koch, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen, und ohne Henrike Greven, der Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen und zugleich Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim/Oberhausen, gemacht. Dieses Duo nämlich tourt in dieser Woche durch den Bezirk, besucht aus Anlass der bundesweit stattfindenden Woche der Ausbildung Betriebe und fragt: „Wo hakt es in Sachen Ausbildung?“

Jörg Thon, Inhaber des Ratskellers, hat auf diese Frage eine Antwort – mindestens eine. „Unsere Branche wird immer schwer gescholten, die Arbeitszeiten seien zu schlecht und die Vergütungen auch“, sagt der Gastronom und berichtet: „Ich habe es immer wieder erlebt, dass junge Leute zu blauäugig in eine Ausbildung gestartet sind und sie dann nach einem Jahr abgebrochen haben, weil es ihnen nicht passte, abends und am Wochenende zu arbeiten.“

„So kann man sich gegenseitig ausprobieren“

In dieser Hinsicht würde er sich mehr Unterstützung und eben eine bessere Aufklärung von Seiten der Berufsberater beim Arbeitsamt wünschen. „Etwa 50 Prozent der Bewerber, die sich bei uns vorstellen, werden uns übers Arbeitsamt vermittelt“, skizziert Thon und sagt: „Diese Zusammenarbeit aber war immer gut.“ Probleme sieht der Gastwirt eher in manchem Elternhaus: „Da fehlt es an Rückendeckung für die Jugendlichen.“

Aktionswoche der Agentur für Arbeit soll Bereitschaft erhöhen, Schulabgängern eine Ausbildung zu ermöglichen

Rund 100 Ausbildungsverträge weniger als in den Vorjahren seien im vergangenen Jahr in Mülheim abgeschlossen worden, berichtet der Leiter der Arbeitsagentur, Jürgen Koch und mahnt: „In den nächsten zehn Jahren gehen in Mülheim und Oberhausen 1300 Menschen in Rente, die Metalle erzeugen und bearbeiten – in diesem Bereich gibt es derzeit aber nur rund 450 Auszubildende.“

Arbeitgeber können ihre freien Ausbildungsstellen dem Arbeitgeber-Service der Agentur für Arbeit unter der kostenfreien Rufnummer 0800/4555520 melden. Weitere Informationen im Internet unter www.arbeitsagentur.de

Dass sich Engagement aber auszahlt, hat das Team des Ratskellers mehr als einmal erlebt. „Wir hatten auch zwei Azubis, die die Schule nicht zu Ende gemacht hatten und auch einen jungen Mann, der über eine Einstiegsqualifizierung bei uns angefangen hat“, erinnert sich Jörg Thon. Über eine Maßnahme also, die gedacht ist, um schwächere Schüler in Betrieben unterzubringen. „So kann man sich gegenseitig ausprobieren“, erklärt Arbeitsagentur-Chef Koch. Für die Thons und den jungen Mann war das ein Glücksfall. „Der hatte in der Praxis keinerlei Schwierigkeiten, konnte allerdings nicht so gut lesen und in Mathe war er auch nicht so gut“, erinnert sich Thon. Kurzerhand organisierten die Gastronomen Nachhilfe für ihren Azubi. Er schloss seine Ausbildung erfolgreich ab und ist heute Restaurantfachmann.

Alle Azubis übernommen

„Welchen Schulabschluss ein Bewerber mitbringt, ist uns eigentlich egal. Hauptsache, er hat die Bereitschaft, im Gastgewerbe zu arbeiten“, sagt der Wirt. Seine Frau Janet hat über die Jahre eine Strategie entwickelt, um das vorab herauszufinden: „Jeder muss erstmal in ein Praktikum.“ Wenn die Thons aber ausbilden, dann tun sie es mit Herz und Hand. „Unsere Azubis gehören dann zur Familie“, sagt Janet Thon und erzählt: „Wir haben alle Azubis der letzten beiden Jahre übernommen.“ Dafür erntet der Ausbildungsbetrieb anerkennendes Kopfnicken in der Runde.

Henrike Greven nutzt den Moment und sagt: „Dann gehen sie doch noch mal in sich und überlegen, ob sie in diesem Jahr nicht doch ausbilden wollen.“ Nun ja – da war doch der Plan von der Pause, die Idee des Kürzertretens. Jörg Thon schaut seine Frau an. Deren Augen leuchten auf. Sie habe nunmal eine soziale Ader, räumt ihr Mann ein. Man will miteinander im Gespräch bleiben, da sind sich das Gastronomenpaar und die Arbeitsmarktexperten einig.

Trendiges Unternehmen bildet zurzeit nicht aus 

Wenn das hier keine Branche ist, in der sich die Schulabgänger tummeln wollen, dann weiß Jürgen Koch es auch nicht. Die zweite Station der Tour, die der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen gestern zusammen mit Henrike Greven, der Vorsitzenden des Verwaltungsausschusses der Agentur für Arbeit Mülheim/Oberhausen und zugleich Geschäftsführerin des Verdi-Bezirks Mülheim/Oberhausen, durch Mülheim machte, führte zur Trendwerk 77 GmbH, einem Unternehmen, das Zubehör für Handys entwickelt und vertreibt.

Poppig-bunte Täschchen stehen da in den Regalen und solche mit den Logos von Bundesliga-Vereinen. Angefangen hat alles vor etwa elf Jahren mit leuchtenden Handy-Anhängern. Weissner: „Damals waren wir in Deutschland die ersten, die so etwas angeboten haben.“ Es folgten Handy-Socken – ebenfalls entwickelt in Mülheim. Heute sind es Handytaschen und -hüllen, die Trendwerk 77 an der Kaiserstraße entwirft, in China produzieren lässt und von hieraus international vertreibt. Also genau das, was junge Leute heute zwingend haben wollen, ist Jürgen Koch sicher. Doch zurzeit bildet der Betrieb von Holger Weissner nicht aus. Seine Firma befinde sich in einer Umstrukturierung, erklärt der Geschäftsführer und führt aus: „Die Rahmenbedingungen müssen passen. Ein Azubi soll bei uns nicht nur Ablage machen müssen.“

Es kommt auf die Person an

Außerdem fehle für die Fachabteilung Design, für die er in seinem Unternehmen Nachwuchs bräuchte, der so genannte Ausbildereignungsschein. Weissner erklärt warum: „Wir haben eine Produktdesignerin, die gerne ausbilden würde, aber sie hat dieses Zertifikat noch nicht.“ Da versucht Henrike Greven direkt zu helfen. Sie zieht Erkundigungen bei der Industrie- und Handelskammer ein, und will in Erfahrung bringen, ob eine Sonderregelung möglich wäre.

Denn einen Interessenten für das Trendwerk 77 hat Jürgen Koch direkt mitgebracht – zumindest in Form einer Bewerbungsmappe. Patrick besucht derzeit die Schule am Hexbachtal und möchte Mediengestalter werden. „Ein pfiffiges Köpfchen, der würde gut zu ihnen passen“, richtet sich Koch an den Geschäftsführer. Der macht zur wichtigsten Voraussetzung, dass ein Bewerber richtig gut Englisch sprechen kann, weil sein Unternehmen international agiert. Patrick hat auf dem letzten Zeugnis allerdings nur eine Vier. „Es kommt aber auf die Person an“, meint Weissner und sagt: „Wir würden Patrick gerne kennenlernen.“