Mülheim. . Verdi kämpft für die Beschäftigten kommunaler Sozial- und Erziehungsdienste. Die Eingruppierung soll sich ändern. Am Montag ist ein erster Warnstreik.
Berufstätige Eltern, deren Kinder in städtischen Kitas untergebracht sind, sollten sich für Montag, 23. März, vorsichtshalber nach einer alternativen Betreuung umschauen. Das pädagogische Personal nämlich ist aufgerufen, sich an diesem Tag von Dienstbeginn bis -ende an einem Warnstreik von Verdi zu beteiligen. Es sei also durchaus denkbar, hieß es gestern von der Gewerkschaft, dass einige Einrichtungen komplett geschlossen bleiben – je nach dem, wie viele Erzieherinnen und Erzieher sich dem Aufruf tatsächlich anschließen.
Anfang der kommenden Woche findet die zweite Tarifrunde für die Beschäftigten der Erziehungs- und Sozialdienste statt. Auch die städtischen Sozialarbeiter und -pädagogen sind also betroffen. Verdi peilt für sie alle eine deutliche Aufwertung ihrer Berufe an. Angesichts gestiegener Anforderungen und anspruchsvoller Ausbildungen müsse es deutlich mehr Geld geben, hieß es. Eine bessere Eingruppierung müsse her. Die Personalkosten in diesem Bereich könnten dadurch um rund 10 Prozent steigen.
Die Streikenden treffen sich im Haus Union in Styrum, Neustadtstraße 19. Verdi informiert dann u.a. über das weitere Vorgehen. Und auch die Eltern sollen zügig Auskunft erhalten: Nach den Osterferien führt Verdi für sie eine Infoveranstaltung durch.
Es ist die Wertschätzung ihrer Arbeit, die sie oft vermissen
Erzieherin Katrin Rehmann (40) und Diplom-Sozialarbeiter Holger Förster (48) sind nur zwei von fast 600 Mülheimern, die ihre Hoffnung setzen auf die aktuellen Tarifverhandlungen für die Beschäftigten in kommunalen Sozial- und Erziehungsdiensten. Die städtischen Angestellten fühlen sich unterbezahlt. Bei ihren Forderungen aber geht’s nicht allein ums liebe Geld: Es ist die Wertschätzung ihrer Arbeit, die sie oft vermissen. Dabei wachsen die Anforderungen stetig.
Ein Ingenieur, der frisch von der Fachhochschule kommt, verdient bei der Kommune 2916 Euro brutto; ein Sozialarbeiter, der ebenfalls einen FH-Abschluss in der Tasche hat, lediglich 2586 Euro. Ein Bautechniker, der die Fachschule absolviert hat, steigt mit 2586 Euro ein, eine Erzieherin mit vergleichbarer Qualifikation mit 2366 Euro. Ungerechtigkeiten, die die Betroffenen und die Gewerkschaft Verdi länger schon anprangern und nicht weiter hinnehmen wollen.
Die „völlig veraltete Eingruppierung“ der Beschäftigten müsse sich ändern
Ihre Forderung ist klar: Die „völlig veraltete Eingruppierung“ der Beschäftigten müsse sich ändern, das Einstiegsniveau an jenes vergleichbarer Gruppen angepasst werden. „Nur so wird die Qualität der Arbeit anerkannt, nur so wird den psychischen und physischen Belastungen Rechnung getragen“, sagt Dirk Neubner, Vorsitzender des Verdi-Bezirksfachbereichs Gemeinden und Mitglied der Bundestarifkommission. 450 pädagogische Kräfte in städtischen Kitas sind von der Tarifrunde betroffen, dazu 120 Sozialarbeiter und -pädagogen. „Gute Arbeit hat ihren Preis, der aber wird bislang nicht bezahlt. Dafür wollen wir jetzt aufstehen“, so Dirk Neubner.
„Frühkindliche Bildung sind das A und O für die Entwicklung“, betont Gewerkschaftssekretärin Anna Conrads. „Was da einmal versäumt wurde, kann nicht nachgeholt werden.“ Das habe der Staat ja auch längst erkannt, und deshalb zum Beispiel die Ausbildung der Erzieherinnen ausgeweitet. Nun gebe es hoch qualifizierte Kräfte – aber noch immer keine anständige Bezahlung. Das sei auch ein Problem mit Blick auf den Fachkräftemangel: „In den kommenden zehn Jahren werden bundesweit 50 000 Erzieher und Sozialarbeiter fehlen. Es wird nicht gelingen, die Stellen zu besetzen, wenn die Bedingungen nicht attraktiver werden.“ Die Personalkosten in diesem Bereich könnten übrigens um 10 Prozent steigen, falls Verdi sich mit seinen Forderungen in Gänze durchsetzt.
Notfalls soll auch länger gestreikt werden
Die Vertreter der Kommunen hätten generell Verständnis für die Verdi-Forderungen, so Neubner, erinnerten aber regelmäßig an die leeren Kassen. Es werde nicht leicht, sich durchzusetzen.
Locker lassen wolle man trotzdem nicht, im äußersten Falle auch auf die Straße gehen. So wie am kommenden Montag beim Warnstreik. Das falle gerade den Erzieherinnen nicht leicht: „Keiner will die Eltern belasten.“ Er hoffe trotzdem auf rege Beteiligung. Das tut auch Sozialarbeiter Förster: „Wir kämpfen immer für die Kunden, aber nie für uns.“
Dass sich ihr Arbeitsalltag deutlich verändert hat, unterstreicht Erzieherin Rehmann: „Wir sind mittlerweile elementar an der Bildung der Kinder beteiligt.“ Man müsse mehr dokumentieren, mehr Elterngespräche führen und sich vor allem auf das neue, „und oft laute, turbulente“ Early Excellence-Bildungskonzept einstellen. „Früher habe ich zudem mit zehn Kindern Mittag gegessen, heute sind es 23.“ Sozialarbeiter Förster, der früher in der Jugendhilfe gearbeitet hat und heute in der Senioren- und Wohnberatung tätig ist, weiß, wie wichtig Qualität in der täglichen Arbeit ist: „Auch, wenn mancher noch immer glaubt, jeder könne ein Kind erziehen, ist das falsch. Man wird nicht durch Geburt zum Pädagogen – wir aber sind dafür ausgebildet.“